Wir sind Menschen, keine Maschinen. Unsere sozialen Interaktionen dienen seit jeher dazu, uns über Nachrichten, Ideen und Meinungen auszutauschen. Auf diese Weise diffundiert das Ganze langsam durch die Gesellschaft.
Social Media auf dem Vormarsch
Doch vielleicht geht heute alles schon viel schneller. Das wäre vor allem deshalb plausibel, weil ein zunehmender Teil der Kommunikation ins Internet abgewandert ist, wo sich Ideen – zum Guten wie zum Schlechten – potenziell sehr schnell verbreiten. Dann würde es sich wie bei einem Virus entwickeln, das besonders ansteckend ist.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass Social Media besser dazu geeignet ist, das Sentiment von Anlegern in Bezug auf den Markt einzufangen und damit Renditen zu prognostizieren als traditionelle Medien. [1] Das wurde sicherlich vielen Anlegern bewusst, als im Frühjahr 2021 die große „Mobilisierung“ zum Investieren in Aktien wie GameStop über Reddit-Foren erfolgte. Inzwischen dürften auch die meisten Profis solche Kanäle deutlich genauer beobachten als vorher.
Das Abrufen und Analysieren von Daten aus Social-Media-Plattformen könnte zu einem besseren Verständnis der Stimmung der Marktteilnehmer führen und ihr Verhalten vorhersagen. [1]
Eine weitere interessante Studie, die sich mit dem Thema befasst, trägt den Titel „The Rate of Communication“. [2] Darin wird versucht, eine effektive Übertragungsrate zu schätzen, mit der sich Finanznachrichten und Einschätzungen zwischen Anlegern bewegen, und wie diese Rate mit den Merkmalen der Anleger variiert.
Als Untersuchungsansatz werden darin Transaktionen von 70.000 US-Haushalten mit Übernahmen abgeglichen, die industrieübergreifend waren und durch Aktien finanziert wurden. Hier ist zu vermuten, dass dies für die betreffenden Aktionäre ein interessantes Thema in sozialen Interaktionen sein sollte.
Und tatsächlich zeigt sich in den Daten: Anleger, die Aktien der übernehmenden Firma eingebucht bekommen, scheinen dies an ihre lokalen Nachbarn zu kommunizieren – denn diese neigen dazu, in die gleiche Richtung zu handeln. Dabei nimmt der Zusammenhang mit größerer Entfernung der Wohnorte ab. Der Effekt zeigt sich zudem nicht schon bei Ankündigung der Übernahme, sondern erst nach Einbuchung der Aktien.
Ansteckungsrate
Die Autoren definieren eine Kommunikationsrate, die sie treffend als durchschnittliche Anzahl von „Ansteckungen“ anderer Personen bezeichnen. Auf Basis ihrer Analysen schätzen sie, dass ein „infizierter“ Anleger innerhalb eines Quartals weniger als einen seiner Nachbarn mit seiner Anlageidee ansteckt, konkret 0,32 Nachbarn.
Dieser Wert ist statistisch signifikant, sodass die Übertragung von Finanzinformationen durch soziale Interaktion durchaus relevant ist. Doch wie bei einem echten Virus, dessen Reproduktionsrate unter eins liegt, stirbt das Ganze ohne weitere Einflüsse schnell wieder ab, statt sich exponentiell auszubreiten.
Zur Erklärung schreiben die Forscher, dass die Verbreitung von Ideen und Informationen – anders als die von Viren – freiwillig erfolgt. Deshalb reicht die reine Übertragung nicht aus. Es müssen zusätzlich zwei wichtige Voraussetzungen erfüllt sein:
- Der Sender ist motiviert, seine Idee zu teilen
- Der Empfänger ist bereit, zuzuhören, die Idee ernst zu nehmen und sie zu übernehmen