Gezeitenwechsel an den Kapitalmärkten
Wie war doch die Anlagewelt von gestern schön: Aktien- und Rentenmärkte lieferten gleichermaßen überdurchschnittliche Erträge, obendrein lieferte die Kombination beider Assetklassen aufgrund der negativen Korrelation sehr gute Diversifikationseffekte. Ein einfaches 60/40 Portfolio genügte folglich, um attraktive Erträge zu erzielen und das bei geringer Volatilität. Aufgrund der zuletzt starken Geldmengenausweitungen, steigender Rohstoffpreise und Störungen in den globalen Lieferketten stehen Investoren jetzt allerdings vor der Herausforderung, ihre Portfolien neu aufzustellen, um dem erhöhten Inflationsrisiko Rechnung zu tragen. Eine Thematik, die für viele Portfoliomanager Neuland ist: Seit den 1980er Jahren war Inflation schließlich kein ernst zu nehmendes Thema mehr.
Das erste Halbjahr 2022 dürfte daher ein Weckruf für viele Marktteilnehmer gewesen sein: Das klassische Portfolio, bestehen aus 60% Aktien und 40% Anleihen, musste aufgrund gleichzeitig fallender Aktien- und Rentenmärkte die stärksten Verluste seit 1932 hinnehmen: Rund 16% Kursverlust standen per Jahresmitte zu Buche.
Steigende Inflationsunsicherheit wirkt in viele Bereiche hinein
Makroökonomisch ergeben sich aufgrund des neuen Inflationsregimes eine ganze Vielzahl von Effekten: Zum einen erschwert die hohe bzw. stark schwankende Inflation Haushalten und Unternehmen gleichermaßen, absolute Preisänderungen von relativen Preisänderungen zu unterscheiden, was die Inflationsunsicherheit erhöht. Das allgemeine Zinsniveau und die Volatilität der Zinsentwicklung nehmen dadurch zu. Bei größerer Ungewissheit über die künftige Entwicklung der Inflation wird die Geldpolitik sowohl für Marktteilnehmer als auch für Wirtschaftsakteure weniger berechenbar. Die Gefahr einer negativen geldpolitischen Überraschung steigt damit ebenfalls an. Aufgrund dieser Faktoren erhöht sich folglich auch die Unsicherheit über das Wirtschaftswachstum, was letztendlich zu einem niedrigeren BIP-Wachstum führt. Ein Rückblick auf die von Stagflation geprägten 1970er Jahre zeigt, dass die in der Vergangenheit vorzüglich funktionierende Buy & Hold-Strategie nicht mehr aufgehen könnte. Stattdessen dürfte aktives Timing und eine Neuausrichtung bei den Assetklassen gefragt sein.
Renditevergleich traditioneller und alternativer Anlageklassen
Historische Daten belegen, dass Phasen mit hoher Inflation und erhöhten Inflationserwartungen große Auswirkungen auf die Kapitalmärkte haben, insbesondere wenn die Entwicklung über einen längeren Zeitraum anhält. Eine umfangreiche Studie vergleicht dazu die annualisierte Realrendite für jede Assetklasse und aktive Strategien in Zeiten hoher Inflation und den übrigen Phasen [1]. Die Ergebnisse für den Zeitraum ab 1926 sprechen eine klare Sprache:
- Traditionelle Anlagen schneiden in Inflationsphasen schlecht ab
- Aktien erwirtschafteten im Durchschnitt eine annualisierte Realrendite von -7%
- Zehnjährige Staatsanleihen lieferten im Durchschnitt eine annualisierte Realrendite von -5%
- Ein 60/40 Portfolio erreichte im Durchschnitt eine annualisierte Realrendite von -6%
Ganz anders dagegen verhält sich die Entwicklung bei alternativen Anlagen und aktiven Strategien: Rohstoffinvestments im Allgemeinen weisen ein signifikant positives Inflationsbeta auf und lieferten hohe Realerträge in Zeiten hoher bzw. steigender Inflation. Dies gilt insbesondere für Energierohstoffe – eine Entwicklung, die man auch in der aktuellen Marktlage beobachten kann. Unter den aktiven Strategien schnitten Trendfolgestrategien gut ab, und zwar auf Basis aller Anlageklassen. Dies hängt damit zusammen, dass Inflationsschocks keine Übernachtereignisse, sondern eher längere Episoden markieren und damit eine gute Basis für Trendfollowing-Modelle darstellen.
Wie reagiert die Aktien-Bond-Korrelation bei erhöhter Inflation?
Nicht nur die schwache Performance traditioneller Assets bereitet Investoren in Inflationsphasen Kopfschmerzen – auch auf der Korrelationsebene kommt es zu ungünstigen Verschiebungen, die sich auf das Risk-Return-Verhältnis des Portfolios auswirken. Die nachfolgende Grafik zeigt die rollierende Korrelation der beiden wichtigsten Anlageklassen Aktien und Bonds während dreier Perioden:
- Zwischen 1950 und 1965 lag die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen bei -0,16
- Zwischen 1965 und 2000 erhöhte sich die Korrelation deutlich auf +0,28
- In den beiden Jahrzehnten zwischen 2000 und 2020 fiel die Korrelation wieder deutlich in den negativen Bereich (-0,29)
Die Zu- bzw. Abnahme der Korrelation zwischen Aktien und Anleihen hängt von zahlreichen Faktoren ab. Phasen wie in den Jahren 1950 bis 1965 sowie 2000 bis 2020 waren von niedrigen und stabilen Inflationsraten und dem risikofreien Zins gekennzeichnet. Von geld- und fiskalpolitischer Seite war eine gewisse Planbarkeit und Kontinuität zu beobachten. All diese Faktoren sorgen für eine negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen. Die umgekehrte Entwicklung sorgt jedoch für eine Verschiebung der Korrelation in den positiven Bereich: Überraschungen von geldpolitischer Seite, nicht nachhaltige Fiskalpolitik, erhöhte und volatile Inflations- und Zinsniveaus sowie Schocks auf der Angebotsseite.
Die Zunahme der Korrelation zwischen Aktien und Anleihen sorgt aufgrund des schwächeren Diversifikationseffekts für eine höhere Volatilität im Portfolio und damit für eine Absenkung der Sharpe Ratio. Abbildung 5 zeigt schematisch auf, wie sich die Sharpe Ratio auf Basis der unterschiedlichen Korrelationen und der jeweiligen Bond-Gewichtung verändert.
Hedgefonds als Diversifikationsquelle und Renditelieferant
Niedrige Ertragsaussichten und nachteilige Änderungen der Korrelation zwischen und Aktien und Anleihen erhöhen – nicht zuletzt aufgrund des historischen Einbruchs im ersten Halbjahr 2022 – den Druck auf das klassische 60/40 Portfolio. Die Tatsache, dass die Mehrheit der Portfolien einen Downside Inflation Bias aufweist, also tendenziell von niedrigen bzw. fallenden Inflationsraten profitiert, stellt für die Zukunft eine offene Flanke dar. Um zukünftige Renditeziele bei einem vertretbaren Risiko gewährleisten zu können, lohnt daher der Blick auf alternative Investments wie Hedgefonds.