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30
06
2022

Das unendliche Spiel an der Börse.

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Bei der Geldanlage geht es nicht ums Gewinnen. Dieses „Spiel“ hat kein definiertes Ende und kennt trotz Millionen von Teilnehmern nur einen Gegner: Uns selbst. Es ist eine Reise, die niemals endet, auf der Geduld eine Tugend ist, bei der wir viel über uns selbst lernen und besser werden können.

„Das war ein hervorragendes Investment!“ Mit diesem Gedanken lehnt sich Max, ein junger Privatanleger, entspannt zurück. Vor einigen Monaten hatte er Aktien eines DAX-Konzerns gekauft, deren Kurs seitdem um 15 Prozent gestiegen ist. Noch dazu war es mit 10.000 Euro eine seiner größten Einzelpositionen. Deshalb fühlt er sich wie ein Gewinner.
Doch wenige Tage später wird er nachdenklich. Ein positiver Analystenkommentar hat den Kurs um weitere fünf Prozent steigen lassen. Max hatte zwar einen Treffer erzielt, doch das Spiel war weitergegangen, und zwar ohne ihn. Sein zunächst erfolgreicher Trade sieht nun so aus, als hätte er etwas falsch gemacht. Diese Erfahrung dürfte so ziemlich jeder Anleger schon einmal gemacht haben.

Show Must Go On

Es ist offensichtlich, dass man nicht regelmäßig am Tief kaufen und am Hoch verkaufen kann. Jeder weiß das. Doch bei genauer Betrachtung steckt noch etwas anderes dahinter, das vielleicht nicht jedem bewusst ist: Die Geldanlage ist ein „unendliches Spiel“. Dabei werden ständig aktiv Entscheidungen zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren getroffen (bei kurzfristigem Trading) oder bewusst nicht getroffen (bei langfristigen Investments).

Die Geldanlage ist ein „unendliches Spiel“.

Solange eine Position offen ist, stellt sich die Frage, ob bzw. wann diese geschlossen oder vergrößert bzw. verkleinert werden soll. Und sobald die Position geschlossen ist, geht es darum, was mit dem Erlös passiert: Wird das Geld etwa für eine Urlaubsreise konsumiert oder soll damit eine neue Position in der nächsten aussichtsreichen Aktie eröffnet werden? Alternativ könnte man auch in einen aktiv oder passiv gemanagten Fonds investieren, um den Aufwand zur fortlaufenden Beobachtung zu reduzieren. Oder das Geld wird wegen einer schlechten Börsenphase vorübergehend als Kasse gehalten, um es später zum Kauf von Schnäppchen einzusetzen.

Unendliche Geschichte

Wie man es auch dreht und wendet, ständig besteht die latente Notwendigkeit dafür, Entscheidungen zu treffen. Jeden Tag müssen Chancen und Risiken aufs Neue beurteilt werden. Das erfordert Aufmerksamkeit und kann mit der Zeit durchaus anstrengend sein. Insbesondere dann, wenn es nicht so gut läuft und man für seinen Aufwand mit Verlusten „entschädigt“ wird.

Jeden Tag müssen Chancen und Risiken aufs Neue beurteilt werden.

Diese Erfahrung machen nicht nur Privatanleger, sondern auch Profis wie die bekannte US-Fondsmanagerin Cathie Wood: Im Jahr 2020 zählte sie mit prozentual dreistelligen Renditen zu den größten Gewinnern. Doch das Spiel ging weiter. Und im ersten Halbjahr 2022 war sie plötzlich unter den größten Verlierern. Eine interessante Alternative können deshalb bewährte, quantitative Strategien sein, die reproduzierbare Signale unabhängig von subjektiven Einschätzungen umsetzen.

Karten werden gemischt

Wie die Börse kann man auch die ganze Wirtschaft als unendliches Spiel verstehen: Unternehmen kommen und gehen, stehen in Konkurrenz zueinander, gewinnen oder verlieren Marktanteile und so weiter. Das ist die Natur eines Systems, das letztlich Produktivitätssteigerungen und technischen Fortschritt hervorbringt. Dabei werden die Karten jeden Tag ein bisschen neu gemischt, denn alles ist ständig im Wandel und nichts wirklich sicher. Mit der Zeit können sich auch die Spielregeln selbst verändern. Dabei sind bestehende Risiken und Unsicherheiten gleichzeitig auch Opportunitäten und ermöglichen neue Chancen und Wettbewerbsvorteile.

In unendlichen Spielen kommen und gehen die Teilnehmer, die Regeln sind veränderbar, und es gibt kein definiertes Ende.
Simon Sinek

In diesem Sinne ist auch das Leben an sich ein unendliches Spiel. Anders als bei zeitlich begrenzten Spielen wie Fußball oder Schach, bei denen es ums Gewinnen geht, ist das Hauptziel der unendlichen Variante, überhaupt dabei zu bleiben. Diese grundlegende Unterscheidung beschrieb der US-Forscher James P. Carse schon 1986 in seinem Buch „Finite and Infinite Games“. Seine Arbeit inspirierte später Simon Sinek für sein Buch „The Infinite Game“.

Ein endliches Spiel wird gespielt, um zu gewinnen; aber ein unendliches Spiel, um immer weiterzuspielen. (James P. Carse)

3 Level der Geldanlage

Doch noch einmal zurück zum unendlichen Spiel an der Börse. Laut dem Global-Macro-Manager Diego Parrilla gibt es hier drei Stufen zu meistern:

  • Level 1: Nominal Geld verdienen, also aus 100 Euro im Lauf eines Jahres mehr als 100 Euro zu machen. Auf dieser Stufe bewegen sich die meisten Spieler, indem sie sich fragen: „Wie viel habe ich gewonnen oder verloren?“
  • Level 2: Real Geld verdienen, also die Kaufkraft erhöhen, indem eine Rendite oberhalb der Inflationsrate erzielt wird. Angesichts niedriger Zinsen und hoher Inflationsraten ist diese Stufe deutlich schwieriger.
  • Level 3: Real und nach Steuern langfristig Vermögen aufbauen. Auf der höchsten Stufe geht es darum, langfristig ein Vermögen mit höherer Kaufkraft aufzubauen, dessen Wert für nachfolgende Generationen verfügbar ist.

Die dritte Stufe offenbart einen weiteren Grund, weshalb man Geldanlage als unendliches Spiel bezeichnen kann: Nicht einmal am Lebensende hört das Investieren auf. Damit ist auch der notwendige Anlagehorizont unendlich. Das verdeutlicht, dass es wichtiger ist, langfristig finanziell zu überleben, als dabei den bestmöglichen Schnitt zu machen. Denn eines ist ganz sicher nicht unendlich: Unser Anlagekapital.

Wenn ich meine praktischen Fähigkeiten zusammenfassen müsste, würde ich ein Wort benutzen: Überleben. (George Soros)

Fazit

Das Spiel an der Börse geht immer weiter. Anleger können jederzeit pausieren oder sich passiv verhalten, um später wieder zurückkommen. Sie müssen allerdings sicherstellen, dauerhaft am Markt zu überleben. Das lässt sich durch antifragiles Verhalten erreichen: keine zu hohen Risiken eingehen, ausreichend diversifizieren und nur Anlageprodukte kaufen, die man wirklich versteht. Gleichzeitig entwickelt sich aber auch das ganze Spiel an der Börse selbst weiter, indem neue Spezies (Marktteilnehmer) hinzukommen und alte verschwinden, die Risikowahrnehmung sich verändert und neue Instrumente entwickelt werden – ganz ähnlich wie bei der Evolution in der Natur. Man darf also gespannt sein, wohin uns dieses unendliche Spiel eines Tages führen wird.

Quellen

[1] The Felder Report, Diego Parrilla On The Three Levels Of The Investment Game, https://thefelderreport.com/2022/04/13/diego-parrilla-on-the-three-levels-of-the-investment-game/

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