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22
06
2021

Das härteste Spiel der Welt.

Post by 
Moritz Seibert
Trading ist das härteste Spiel der Welt. Sie allein gegen den Markt. Worauf es beim professionellen Trading ankommt, welche Rolle Emotionen spielen und welche Gefahren lauern erläutert Moritz Seibert im nachfolgenden Beitrag.

Das härteste Spiel der Welt

Trading ist das härteste Spiel der Welt. Sie allein gegen den Markt. Es gibt kein Team und auch keinen Schiedsrichter, mal abgesehen von Ihrem Bankkonto, das die Funktion eines unbestechlichen Echtzeit-Punktezählers hat. Es steigt, wenn Sie gewinnen, und sinkt, wenn Sie verlieren. So einfach ist das.

Alles andere als einfach ist jedoch die Tatsache, dass Ihre Gegenspieler zu den klügsten Köpfen der Welt gehören. Es gibt immer jemanden, der besser, schneller, erfahrener oder informierter ist als Sie. Das kann und muss man so akzeptieren, insbesondere da Sie nicht der „beste“ Trader sein müssen, um Geld zu verdienen. Allerdings müssen Sie besser sein als der durchschnittliche Trader, und SIE MÜSSEN ÜBERLEBEN, sprich: Ihr Kapital nicht gänzlich verlieren. Das ist das Wichtigste.

Wenn Sie nicht wetten, können Sie nicht gewinnen. Wenn Sie alle Ihre Chips verlieren, können Sie nicht wetten. (Larry Hite)

Ich persönlich benötige einen guten Spielplan, um die vielen Höhen und Tiefen der Märkte zu überstehen - einen Plan, der auf Daten und Regeln basiert. Und auf Erfahrung. Denn ohne Erfahrung funktionieren Spielpläne nicht bzw. werden diese nicht ein- und durchgehalten.

Es ist wie mit einem Kochbuch. Alle Zutaten, Mengen und Zubereitungsschritte sind erklärt, also sollte es eigentlich auch funktionieren. Doch irgendwie schmeckt die Paella besser, wenn sie von meiner Oma zubereitet wird. Erfahrung.

Im Leben ist alles einfach, wenn man weiß, wie es geht. Schwer ist es jedoch diesen Punkt zu erreichen und auf dem Weg dorthin wichtige Erfahrungen zu sammeln. Es funktioniert nicht, wenn Sie im Simulationsmodus handeln. Es geht nur mit echtem Geld und auf Basis eines permanenten Lernprozesses.

Was folgt, sind einige meiner eigenen Erfahrungen. Nur ein paar, nicht alle. Einige "evergreen" Beobachtungen eines quantitativen Traders.

DIE MÄRKTE ÄNDERN SICH STÄNDIG, ABER IHRE REGELN MÜSSEN ES NICHT

Die Versuchung, die eigenen Handelsregeln zu ändern, in der Hoffnung und mit dem Ziel, diese besser zu machen, ist fast unwiderstehlich. Wir selbst sind unsere schlimmsten Feinde, vor allem in Phasen emotional anstrengender Drawdowns. Die Regression zum Mittelwert ist ein bekanntes Merkmal der Märkte, und sie zeigt sich höchstwahrscheinlich auch in Ihrer eigenen Erfolgsbilanz als Trader. Auf Perioden mit überdurchschnittlicher Performance folgen unterdurchschnittliche Renditen, und diese Drawdowns bilden sodann die Grundlage für eine zukünftige Outperformance. An welchem Punkt dieses Zyklus glauben Sie besteht die größte Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihren Spielplan über Bord werfen? Richtig – in der Verlustphase. In der Regel ist dies jedoch der schlechteste Zeitpunkt für Spielplanänderungen.

Wir alle leben im Hier und Jetzt. Längerfristige Perspektiven können leicht in den Hintergrund geraten, wenn man zu sehr auf die aktuelle Performance fokussiert ist. Zoomen Sie mal ein paar Jahre raus. Ist die Performance wirklich so schlecht? Wollen Sie deswegen tatsächlich Ihr System ändern?

Je erfahrener Sie als Trader werden, desto geduldiger werden Sie mit Ihrem Spielplan sein können. Ich will damit nicht sagen, dass es per se schlecht ist existierende Regeln zu ändern, neue Ideen aufzugreifen und zu implementieren; schlecht ist es jedoch sicherlich, gute Regeln zu ändern, nur weil die letzten Wochen oder Monate von Verlusten geprägt waren.

An den Finanzmärkten ist es meiner Ansicht nach wichtiger zu wissen, was man nicht tun sollte, als zu wissen, was man tun sollte. Ein sehr wichtiger Aspekt des Tradings ist zu erkennen, wann man nichts tun und sein System nicht ändern sollte. Dass dies sehr schwierig sein kann, ist mir bewusst.

DEM LETZTEN SCHREI HINTERHERJAGEN UND AUF MARKETING-HOKUSPOKUS HÖREN

Wenn Sie dazu neigen, Ihre Handelsregeln wegen eines Drawdowns zu ändern, sind Sie vielleicht auch anfällig dafür, allem hinterherzujagen, was gerade heiß und hip ist. Calls auf AMC? Oder vielleicht Futures auf Dogecoin? Ja, das sorgt für interessante Geschichten beim Grillabend. Aber verdienen Sie damit auf lange Sicht auch Geld?

Wenn Sie zu sehr auf den „letzten Schrei“ der Märkte hören, was eine Form von Recency Bias darstellt, laufen Sie Gefahr, Signal und Rauschen zu verwechseln. Auf lange Sicht wird dies sehr wahrscheinlich ein teurer Fehler sein. Je kleiner das Sample (die neuesten Themen haben tendenziell ein kleines Sample), desto größer ist das Rauschen.

Seien Sie sich auch bewusst, dass die Medien niemals langweilige Nachrichten schreiben oder zeigen wollen. Ihr Geschäft ist es, über die „Breaking News“ zu berichten, die die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich ziehen. Das meiste davon ist jedoch marketinggetriebenes Rauschen. Meine Empfehlung als Trader ist, diese „Nachrichten" auszublenden und abzuschalten. Folgen Sie keinen Tipps und lassen Sie sich nicht beeinflussen. Bleiben Sie Ihrer Linie treu.

Meine Empfehlung als Trader ist, "Nachrichten" auszublenden und abzuschalten.
Moritz Seibert

Überlegen Sie mal: Würde ein Markteilnehmer, der über wertvolle und somit gewinnbringende Informationen verfügt, diese als Tipp im Fernsehen ausplaudern oder für 49 Euro pro Monat in Form eines Handelssystems oder Newsletters verkaufen? Sicherlich nicht.

Was die Medien nicht erkennen (oder nicht erkennen wollen), ist, dass die Märkte ein fast unendliches Möglichkeitsspektrum aufweisen. Negative Rohölpreise an den Futures Märkten? Die wenigstens hätten dies für möglich gehalten und dennoch ist die Situation im Zuge der COVID-Krise 2020 eingetreten. Die Wahrscheinlichkeiten an den Märkten sind immer unbekannt. Es ist ein Umfeld ständiger Ungewissheit, was ein wesentlicher Grund für unsere kognitive und verhaltensbezogene Voreingenommenheit ist. Als Menschen ziehen wir es vor, linear zu denken und uns an einer Geschichte mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende zu orientieren. Wenn es keine klare Geschichte gibt, werden wir gerne anfällig für narrative Trugschlüsse. Wir ziehen Geschichten immer wieder gerne den harten Daten vor, da Geschichten die gefühlte Zufälligkeit der Welt reduzieren. Gutes Trading verlangt jedoch, dass Sie den Zufall akzeptieren und sich mit all den noch so unwahrscheinlichen Ergebnissen arrangieren, die er hervorbringen kann - Ergebnisse, die nichts mit Ihrem persönlichen Trading-Geschick zu tun haben.

Eine weitere Empfehlung: Anstatt dem hinterherzujagen, was gerade angesagt ist, sollten Sie in etwas investieren, das gut, aber nicht hip ist. Zum Beispiel einen guten Trend Following Fund, der gerade einem Drawdown hat.

PROFESSIONELLES VERLIEREN UND AKZEPTANZ VON VOLATILITÄT

Verluste sind eine natürliche Folge des Handels. Sie werden Verlusttrades haben. Es ist unmöglich, sie zu vermeiden. Es ist wie einatmen und ausatmen.

Allzu glatte Renditeströme, sprich Performancelinien, die schnurstracks von links unten nach rechts oben verlaufen, sind wie Süßigkeiten. Diese sehen gut aus und schmecken gut, sind jedoch schlecht für Ihre Gesundheit. Entsprechendes gilt in aller Regel für diese glatten und oftmals überoptimierten Performancezeitreihen. Das Risiko ist hinter dieser Glätte versteckt. Irgendwann wird es sich zeigen.

Insofern ist besser, grob richtig zu liegen, als exakt falsch. Optimieren Sie Ihr Trading daher nicht auf geringe Volatilität und Glätte in den täglichen Renditen. Volatilität ist per se nicht schlimm und auch nicht gleichzusetzen mit dem Risiko eines Trades. Volatilität wirkt in beide Richtungen, nach oben und nach unten. Niemand beschwert sich über Upside-Volatilität.

Optimieren Sie Ihr Trading nicht auf geringe Volatilität. Volatilität ist per se nicht schlimm und auch nicht gleichzusetzen mit dem Risiko eines Trades.

Zudem muss Volatilität auch im Kontext der eigenen Erwartungshaltung betrachtet werden. Einige Investoren sind nicht bereit, mehr als 5% Volatilität zu akzeptieren. Bei einer Sharpe Ratio von 0,5 sind das 2,5 % Rendite pro Jahr; wahrscheinlich vor Kosten. Fragen Sie sich, was Sie als Trader erreichen wollen. Wollen Sie tatsächlich den ganzen Aufwand betreiben, um 2,5% pro Jahr vor Steuer und Kosten zu verdienen? Sollten Ihre Renditeerwartungen höher liegen, müssen Sie in der Lage sein, mehr Volatilität zu akzeptieren.

Als Trader werden Sie immer wieder Geld verlieren und Drawdowns haben. Niemand mag es zu verlieren. Gute Trader müssen professionell verlieren können, ohne die Verluste persönlich zu nehmen. Was zählt ist der Prozess, der Spielplan, der den Trader in die Lage versetzt, die richtigen Positionen einzugehen. Das Ergebnis eines einzelnen Trades ist niemals vorhersehbar. Es ist, was es ist. Meine RALF-Methode (Recognize, Admit, Learn, File) beschreibt den richtigen Umgang mit Trades, die nicht funktionieren.

SEIEN SIE SICH IHRER EMOTIONEN BEWUSST

Üblicherweise beeinflussen Emotionen unser Handeln an den Märkten negativ. Unsere Emotionen können sich z. B. in Aufregung und Angst äußern und uns dazu verleiten, voreingenommene Entscheidungen zu treffen, die nichts mit den Fakten zu tun haben.

Unter Stress neigen wir dazu, Muster zu sehen, wo keine existieren.
In Gesprächen stimmen wir selektiv den Standpunkten zu, die unsere eigenen Überzeugungen bestätigen, oder dem Narrativ einer gut erzählten Geschichte - selbst wenn diese Geschichte keine Substanz hat.
Wir ignorieren, was wir nicht sehen wollen. Wegschauen ist einfacher, als dem Problem in die Augen zu sehen.

Auch ich bin nicht immun dagegen, aber die folgenden "Tricks" helfen mir beim Management meiner eigenen Handelsemotionen:

Beobachten Sie die Märkte nicht während des Tages, zumindest nicht zu viel. Der Trader wird nicht für das Beobachten von Intraday-Charts bezahlt.
Schauen Sie auf Prozent-PL und nicht auf Dollar-PL. Das normalisiert die Dinge.
Seien Sie körperlich aktiv und erlauben Sie sich Auszeiten von den Märkten (Squash und Tennis sind für mich persönlich das Mittel der Wahl).
Wenn Sie einen guten Lauf haben, denken Sie schon heute an den nächsten Drawdown. Er wird kommen. Ziel ist es Überschwänglichkeit zu verringern bzw. zu vermeiden.
Wenn Sie sich in einem Drawdown befinden, erinnern Sie sich daran, wie Sie sich in der Vergangenheit von diesen erholt haben. Reflektieren Sie, wie gut es sich anfühlt, wenn Sie sich an Ihren Spielplan gehalten haben und Ihr Durchhaltevermögen zu einem neuen All Time High geführt hat.

#happytrading

Quellen

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