Artikel von Dr. Martin Bethke, Senior Partner bei company companions
Der 17. November 2023 wird als eine Zäsur in die Geschichtsbücher eingehen, auch wenn es keinen Brennpunkt in der ARD oder überhaupt eine Sondersendung dazu im Fernsehen gab. Wahrscheinlich erinnern Sie sich nicht einmal, wo Sie an diesem geschichtsträchtigen Tag waren. Aber genau das ist symptomatisch für das Problem, mit dem wir es hier zu tun haben, denn: Der 17. November 2023 war der erste Tag der Geschichte, an dem es auf der Erde 2 Grad wärmer war als in vorindustrieller Zeit – und kaum jemand hat es bemerkt.
Das Klima auf unserem Planeten verändert sich rasant und mit nur schwer zu kalkulierbaren Auswirkungen, die jedoch mit jedem Zehntelgrad Temperaturanstieg zunehmen werden (z.B. Dürren, Hungersnöte, Wasserknappheit, etc). Wir werden 2023 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das wärmste jemals gemessene Jahr verzeichnen. Im Jahr 2100 werden wir bei einer Erwärmung von ca. 2,7 bis 3,2 Grad liegen. Kurzum: Mit der Veränderung des Klimas (und ich lasse bewusst den Faktor Biodiversität und seine Ökosystemleistungen an dieser Stelle einmal außer Acht) verändert sich auch der Kontext unseres Wirtschaftens. Jedoch sind fast alle Wirtschaftsbereiche auf ein stabiles Klima angewiesen; einzig die Anpassungsfähigkeit an die Erderwärmung ist branchenspezifisch. Die zunehmende Erderwärmung und die damit verbundenen Auswirkungen, wie z.B. Naturkatastrophen, Ressourcenknappheit, regulatorische Unsicherheit und gestiegene Versicherungskosten, stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Profitabilität vieler Unternehmen dar. Ein kluges Risikomanagement wäre daher angebracht und ein nachhaltiges Wirtschaften daher nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht unerlässlich.
Nachhaltigkeit wird zum Schlüsselbegriff, der ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung miteinander verbindet und nachhaltiges Wirtschaften wird damit zwangsläufig zur „license to operate“ für jedes Wirtschaftsunternehmen.
Die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft ist ohne Nachhaltigkeit nicht mehr zu denken. Ob in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft – unser Handeln wird in einer sich dramatisch verändernden Welt zukünftig mehr denn je daran gemessen werden, wie wir agieren. Nachhaltigkeit wird zum Schlüsselbegriff, der ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung miteinander verbindet und nachhaltiges Wirtschaften wird damit zwangsläufig zur „license to operate“ für jedes Wirtschaftsunternehmen.
Die Zukunft und das eigene Geschäftsmodell nachhaltig gestalten
Die Herausforderung für alle Unternehmen ist groß, aber alternativlos. Ein „weiter so“ wird es nicht mehr geben, auch wenn so mancher CEO oder Politiker sich in die „guten alten Zeiten“ zurückwünscht. Machen wir uns nichts vor: Wir haben in diesen „guten alten Zeiten“ auf Kosten der Zukunft gelebt. Für alle Unternehmen stellt sich jetzt die Frage: Wie schaffen wir es, gleichzeitig erfolgreich und wettbewerbsfähig zu bleiben? Es geht darum, im Spiel zu bleiben und das eigene Geschäftsmodell zukunfts- und enkelfähig zu gestalten, sowie nachhaltiges Handeln und wirtschaftlichen Erfolg in Einklang zu bringen. Simon Sinek, mehrfacher Bestseller-Autor und Unternehmensberater, drückt es in seinem Buch „The Infinite Game“ treffend aus, wenn er sagt: „In infinite games, like business or politics or life itself, the players come and go, the rules are changeable, and there is no defined endpoint. There are no winners or losers in an infinite game; there is only ahead and behind.”
Ist das Hinterfragen des Bestehenden, das Anpassen an einen neuen Kontext und das Gestalten der Zukunft nicht Ursprung des Unternehmertums?
Die Spielregeln für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind in Veränderung begriffen. Viele Unternehmen sehen sich getrieben von Kundenerwartungen, neuer Regulatorik und oft genug auch von Mitarbeiter:innen einer neuen Generation, die den Purpose und die Vision des Unternehmens und seinen gesellschaftlichen Beitrag kritisch betrachten. Aber ist nicht genau das die perfekte Ausgangslage für Innovation? Ist das Hinterfragen des Bestehenden, das Anpassen an einen neuen Kontext und das Gestalten der Zukunft nicht Ursprung des Unternehmertums?
Gesellschaftliche und politische Erwartungen erfüllen
Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Bundesumweltamtes befürworten 90 Prozent der Bürger in Deutschland den ökologischen Umbau der Wirtschaft, trotz Sorgen um das Ansteigen der Lebenshaltungskosten. Klima- und Umweltschutz spielen nach wie vor eine große Rolle und die Erwartung ist, dass hier von allen gesellschaftlichen Akteuren mehr getan wird. Gerade bei Industrie und Wirtschaft sind nur 15% der in der der Studie Befragten davon überzeugt, dass hier das Ambitionsniveau hoch genug ist und Unternehmen den Erwartungen gerecht werden.
Aber es sind nicht nur die gesellschaftlichen Erwartungen, die die Unternehmen unter Druck setzen. Im Einklang mit den UN-Klimazielen haben sich Regierungen und Institutionen zum "Net Zero"-Ziel verpflichtet, wodurch nachhaltiges Wirtschaften eine noch größere Relevanz erhält. Nachhaltigkeit muss somit entlang der Wertschöpfungskette verstanden und gesteuert werden, und Geschäftsmodelle müssen kontinuierlich reflektiert und weiterentwickelt werden. Es ist daher nur folgerichtig, dass die zunehmende gesetzliche Regulatorik (z.B. die Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) immer mehr Unternehmen - national wie international – dazu bringt, nachhaltiges Wirtschaften als Kern der Unternehmensstrategie zu verstehen.