Artikel von Prof. Raimund Bleischwitz, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT)
Mangroven: Ein Vermögenswert im Niedergang
Mangroven sind Sträucher oder Bäume, die hauptsächlich in äquatorialem Klima wachsen, typischerweise entlang von Küstenlinien und in der Gezeitenzone. Als natürliche Infrastrukturen schützen Mangrovenwälder nah gelegene bewohnte Gebiete, indem sie die Erosion verringern und die Auswirkungen von Sturmfluten auffangen. In Australien beispielsweise tragen sie dazu bei, dass Schäden an küstennahem Eigentum im Wert von fast 2 Mrd. AUS $ vermieden werden. Mangroven sind die unbesungenen Helden des Wohlstands in Küstengebieten. Als multifunktionale Küstenökosysteme in mehr als 110 Ländern der Welt bieten sie Lebensraum für Fische, Vögel und andere Arten und fördern so die Artenvielfalt. Außerdem wirken sie durch ihre Filterfunktionen der Umweltverschmutzung entgegen. Sie leisten also wichtige sozioökonomische und kulturelle Dienste für die Lebensgrundlage von über 4 Millionen Fischern und für das menschliche Wohlergehen.
Ihr Zustand verschlechtert sich weiter, auch wenn sich dies in den letzten Jahren verlangsamt hat. Mehr als die Hälfte der weltweiten Mangrovenbestände ist durch Degradation und Abholzung aufgrund von Urbanisierung und Rohstoffgewinnung verloren gegangen. Die 'Global Mangrove Alliance' schätzt den Nettoverlust von Mangrovenbeständen seit 1996 auf 5.245 km2. Weltweit gibt es noch schätzungsweise 147.000 km2 Mangroven, eine Fläche etwa so groß wie Bangladesch. Etwa 818.000 ha gelten derzeit als wiederherstellbare Mangrovengebiete. Für eine weltweite Verbreitung von Mangroven werden Finanzmittel benötigt.
Kohlenstoffspeichernde Superkraft
Ein zukunftsweisender Faktor ist, ihren Beitrag zu "blauem Kohlenstoff" anzuerkennen - d. h. der Kohlenstoffmenge, die in den Küstenökosystemen der Mangrovenwälder, Salzwiesen und Seegraswiesen für den Klimaschutz gebunden werden könnte. Mangrovenwälder speichern bis zu zehnmal mehr Kohlenstoff pro Hektar als terrestrische Wälder. Laut "Conservation International" macht dieses Potenzial zur Kohlenstoffspeicherung die Mangroven zu einer wesentlichen Lösung bei der Eindämmung der globalen Erderwärmung.
"Mangrovenwälder speichern bis zu zehnmal mehr Kohlenstoff pro Hektar als Wälder an Land.“
Länder des globalen Südens - als "blauer Kohlenstoffreichtum der Nationen" beschrieben (Bertram et al. 2021) - könnten beträchtliche Transfers auf der Grundlage von Kohlenstoffkompensationen erhalten. Neben großen Ländern wie Indonesien und Brasilien könnten auch eine Reihe kleiner Entwicklungsländer, die nahezu keine Emissionen verursachen, von beträchtlichen Ausgleichszahlungen profitieren.
Das globale Potenzial zur Speicherung von Kohlenstoffemissionen wird vorsichtig auf eine Größenordnung von 3 % der aktuellen Emissionen geschätzt (Macready et al. 2021), d. h. es ist unwahrscheinlich, dass dies die Lösung ist. Die Kohlenstoffspeicherfähigkeit von Mangrovenwäldern, entspricht jedoch in etwa der derzeitigen Emissionsmenge von Deutschland. Vergleicht man die massiven Finanzmittel, die für den laufenden Klimaschutz in den Industrieländern benötigt werden, so würden die dringend benötigten Investitionen in das Naturkapital der Mangrovenwälder in den Schatten gestellt.
Impulse aus der Politik: Dynamik für Mangroven
Die politischen Entscheidungsträger setzen sich für den Schutz der Mangrovenwälder ein. Die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und des Ramsar-Übereinkommens über Feuchtgebiete machen sich die wertvolle Rolle der Mangroven zunutze. Auf der COP im Jahr 2023 in UEA wurde als globales Ziel vorgeschlagen, 15 Millionen Hektar Mangrovenwälder wiederherzustellen und zu schützen sowie die Zerstörung von Mangroven bis 2030 zu stoppen. Australien verwendet den Ansatz nun in seinem 'Nationally Inventory Report' (NIR), d.h. als Teil seiner anerkannten politischen Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Die Festlegung von Standards und Maßstäben ist von zentraler Bedeutung
Die Festlegung eines transparenten und überprüfbaren Standards mit unabhängiger Überprüfung ist von zentraler Bedeutung. Bisher werden freiwillige Standards von wenigen Beratungsgesellschaften angeboten: „VERRA" ist eine davon, aber andere wie "Climate Action Reserve", "Plan Vivo" und "FairGrove" treten als gleichgesinnte Akteure auf. Das 'High Level Ocean Panel' stellt ein Handbuch zu diesem Thema zur Verfügung, um Maßnahmen zu erleichtern. Investoren sollten allerdings aufpassen, wenn "schaufelfertige" Mangroven-(Wieder)-Aufbauprojekte ins Leben gerufen werden: So einfach ist das nicht! Die Dauerhaftigkeit der Kohlenstoffspeicherung, die Überwachungsparameter, die Transparenz und die unabhängige Überprüfung erfordern mehr und kontinuierliche Strenge. Langfristig ist eine Angliederung an normgebende Gremien auf UN-Ebene wünschenswert (Van Dam et al. 2024).
Die "Mangrove Breakthrough Financial Roadmap"
Der Start der "Mangrove Breakthrough Financial Roadmap" Ende 2023 war ein dringender Aufruf zum Handeln. Unterstützt von zahlreichen Ländern und Interessengruppen zeigt das Vorhaben auf, dass die Aktivierung von Investitionen in Höhe von 4 Mrd. USD bis 2030 die Zukunft der Mangrovenwälder und ihrer Ökosystemleistungen sichern könnte. Eine belgische NRO und ihr Partner aus Bangladesch haben einen Blue Mangrove Fund eingerichtet. Parallel dazu hat Microsoft in das weltweit größte Projekt 'Delta Blue Carbon' in Pakistan investiert und informiert über die gewonnenen Erfahrungen. Das High Level Ocean Panel kommt zu dem Schluss, dass all diese Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung von Mangrovenwäldern ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 3:1 haben könnten, d. h. 1 € Investition bringt einen Nutzen von 3 € (Konar & Ding 2020).
Die Global Mangrove Alliance hat für Praktiker einen Restaurierungs-Tracker eingerichtet, um den Wissensaustausch zu ermöglichen. Das Investorentool "Mangroven-Übergangskurve" bildet dieses Spektrum der Möglichkeiten ab. Es zeigt Entwicklungsphasen und neue Geschäftsmodelle auf: von Aquakultur über Ökotourismus bis hin zu Meeresschutzgebieten und mariner Raumplanung. Auch Abfallinfrastruktur und saubere Energie zählen dazu. Entscheidende Voraussetzungen dafür sind die rechtlichen Bedingungen für Landbesitzer und -nutzer, insbesondere indigene Völker und lokale Gemeinschaften, sowie das Vertrauen in integrative und verantwortungsvolle Blue-Carbon-Projekte. Impact-Investitionen würde diese messbaren sozio-ökologischen Vorteile berücksichtigen. Die Wirtschaft wird naturfreundlich. Politische Rahmenbedingungen würden die Voraussetzungen für Transparenz und Rechenschaftspflicht schaffen.
Schnellstart für Unternehmen und Investoren
Was Unternehmen und Investoren tun können, ist Folgendes: (i) wissenschaftlich fundierte Qualitätsmaßstäbe und einen soliden Bewertungsrahmen mit den Beteiligten festlegen, (ii) die Übereinstimmung mit den Prioritäten von Unternehmen und Kommunen im Hinblick auf die Steigerung des Wohlstands bestimmen, (iii) finanzielle Multiplikatoren durch die Verringerung des Risikos in Form einer Kombination von Zuschüssen mit anderen Finanzierungsquellen mobilisieren. Kommerzielle Finanzierungen können einen Beitrag zum Finanzplan für Mangroven leisten.
Ausblick: Buy-in mit offenen Augen erforderlich
In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird der Kampf gegen den Klimawandel auf jeder Tagesordnung stehen. Mit erneuerbaren Energien allein wird es nicht getan sein. Es gibt immer mehr Beweise für die Notwendigkeit einer intelligenten Anpassung, die Widerstandsfähigkeit und Abschwächung miteinander verbindet. Investitionen in die Wiederaufforstung von Mangrovenwäldern bieten sich geradezu an – vor allem angesichts des Küstenschutzes, der Speicherung von blauem Kohlenstoff und des vielfältigen lokalen Nutzens für den Lebensunterhalt und die biologische Vielfalt vor Ort. Der finanzielle Fahrplan ebnet den Weg. Er muss weltweit hochskaliert und optimiert werden. Die Messung von Zusatznutzen für die biologische Vielfalt und die Lebensgrundlagen durch Impact-Investitionen wird der Schlüssel sein, um den blauen Reichtum der Nationen für Küstengemeinden auf der ganzen Welt zu erreichen.