Es gibt kaum empirische Untersuchungen darüber, welche Auswirkungen langfristige Niedrigzinsen für Lebensversicherer haben. Ein gutes Beispiel lässt sich aber ausmachen: Japan. Die dortigen Entwicklungen zeigten, was passieren kann, wenn die Zinsen stark fallen und dann über einen langen Zeitraum niedrig bleiben. Zwar lässt sich das Szenario nicht direkt auf die heutige Situation in Deutschland und Europa übertragen, aber es gibt zumindest interessante Parallelen. Im Folgenden stellen wir die wesentlichen Aspekte der im Financial Stability Review veröffentlichten Fallstudie vor. [1]
Ursachen der Krise
Die Rendite japanischer Staatsanleihen fiel im Laufe der 1980er Jahre sowie zu Beginn der 1990er Jahre rapide. Insgesamt gingen zwischen 1997 und 2003 acht Lebensversicherer pleite oder wurden übernommen. Zu den Ursachen zählten der Analyse zufolge neben den Makro-Faktoren vor allem branchenweite Geschäftspraktiken, die sich im veränderten Umfeld negativ auswirkten. So investierten die Versicherer in den 1980er Jahren infolge des deutlichen Zinsrückgangs verstärkt am Aktienmarkt, der nach Platzen der Börsenblase im Jahr 1989 ebenfalls einen langen Abschwung erlebte. Bereits Mitte der 1980er Jahre gab es zudem erhebliche Währungsverluste, nachdem der Yen stark aufwertete. Doch obwohl die Renditen auf allen Seiten wegbrachen, wurden den Kunden bis Mitte der 1990er Jahre weiterhin Garantien von 5,5 Prozent pro Jahr angeboten. Erschwerend kam noch hinzu, dass gleichzeitig ein harter Wettbewerb mit staatlich geförderten Instituten herrschte.
Insurance Run
Die Versicherer begannen schließlich, ihre Garantien zu reduzieren. Dies wiederum führte zu einem Vertrauensverlust der Kunden und einem sprunghaften Anstieg der Kündigungen (Insurance Run), welche zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch Wertminderungen bestraft wurden. In der Folge mussten sieben Lebensversicherer Konkurs anmelden, ein weiteres Unternehmen wurde durch die Kapitalspritze einer ausländischen Gesellschaft gerettet.
Beim Thema Insurance Run gibt es inzwischen einen entscheidenden Unterschied: Die meisten Versicherer in Europa erlauben Kündigungen heute nur noch unter Abzug von Strafgebühren. Das hat dazu geführt, dass Insurance Runs selten geworden sind. [1]
Die Assets der sieben gescheiterten Unternehmen beliefen sich im Jahr 2000 auf 8,6 Prozent der gesamten Lebensversicherungsaktiva in Japan. Allerdings hielten sich die Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft in Grenzen, und es wurden keine öffentlichen Gelder für Rettungsaktionen eingesetzt. Die Kunden mussten einen durchschnittlichen Verlust von zehn Prozent hinnehmen, der Rest wurde vom Schutzfonds der Branche übernommen.