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2022

Klima muss sich lohnen

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Prof. Achim Wambach, PhD
Prof. Achim Wambach, PhD, Präsident des ZEW - Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, analysiert in seinem kürzlich erschienen Buch “Klima muss sich lohnen” die unterschiedlichen Maßnahmen der Klimapolitik und die Marktmechanismen, die dahinter wirken – manchmal gegenteilig oder ganz anders als von der Politik beabsichtigt oder den Verbrauchern erwartet. Dabei kommt er zu überraschenden Ergebnissen: Solaranlagen können wirtschaftlich sinnvoll sein, nicht aber klimapolitisch. Und der Bezug von Ökostrom bewirkt keinen CO2-Rückgang, weniger Autofahren hingegen schon, zumindest aktuell noch. Achim Wambachs Buch lichtet das undurchsichtige Gewirr klimapolitischer Einzelmaßnahmen und gibt der Leserin und dem Leser Kriterien an die Hand, um zu bewerten, was dem Klima wirklich nützt.

Klima muss sich lohnen

Ein zufälliger Fund auf Twitter machte mich stutzig. Etwas Recherche ergab, dass in der Tat der Begriff „Carbon Footprint“ 2003 durch die Werbekampagne eines Mineralölkonzerns populär wurde: Des britischen Unternehmens BP. Der Footprint war Teil einer größer angelegten Kampagne, um das Image des Konzerns zu verbessern. „BP“ stand ursprünglich für British Petroleum, und wurde in „Beyond Petroleum“ umgedeutet. Das alte Logo wich einer stilisierten Blume. Dann folgte ein TV Werbespot, in dem Londoner Passanten gefragt werden, ob sie ihren CO 2 -Abdruck kennen. Der Spot endete mit dem Appell: „Wir können alle etwas tun, um weniger zu emittieren.“ BP war mit seiner Kampagne erfolgreich: Das Konzept des „Fußabdruck“ wurden populär. Wissenschaftliche Publikationen, die sich mit dem Carbon Footprint beschäftigten, vervierfachten sich innerhalb von fünf Jahren; Zeitungen übernahmen den Begriff, und Unternehmen wie auch Regierungsorganisationen nahmen Rechner zum Fußbadruck auf ihre Webseiten. Einen davon hatte BP eigens für die Kampagne entwickelt. Und heute überlegen wir alle, wie wir unseren Fußabdruck reduzieren können. Solaranlagen werden auf die Dächer installiert, Elektrofahrzeuge werden gekauft, und gereist wird, wo immer möglich, mit der Bahn statt mit dem Flugzeug.

Warum investiert ein Mineralölunternehmen, das seine Gewinne mit Ölförderung und dem Betreiben von Tankstellen erzielt, und das zu den 6 Unternehmen zählt, die seit 1965 am meisten zum CO2-Ausstoss beigetragen hat, in eine Kampagne zur Bekämpfung des Klimawandels?  Ein Grund mag sein, dass der Fokus auf den persönlichen Fußabdruck die Verantwortung auf den Einzelnen verlagert und damit den Handlungsdruck von der Politik und den Unternehmen nimmt. Jeder kann ja selber etwas machen, und man fange am besten bei sich selber an, bevor man Forderungen an andere stellt. Es ist schwerer, ein Unternehmen wie BP zu kritisieren, wenn man selber ein schlechtes Gewissen hat, weil man gerade mit dem Flugzeug nach Mallorca gereist ist, mit den entsprechenden klimaschädlichen Emissionen durch diese Reise. Diese Betonung der individuellen Verantwortung ist auf jeden Fall eine Besonderheit der Klimapolitik. Bei anderen Politikfeldern ist dies anders.

Der Fokus auf den persönlichen Fußabdruck verlagert die Verantwortung auf den Einzelnen und nimmt damit den Handlungsdruck von der Politik und den Unternehmen.
Prof. Achim Wambach, PhD

Was ist der Europäische Emissionshandel und warum sollen Flüge damit weniger schädlich sein?

Der Fokus auf jeden Einzelnen nötigt uns aber ab, selber zu verstehen, wie unsere individuellen Handlungen in das Gesamtgeflecht der klimapolitischen Maßnahmen passen. Zumindest wenn wir sichergehen wollen, dass das, was wir machen, auch die gewünschte Wirkung zeigt. Wie können wir, jede und jeder Einzelne, jedes Unternehmen und jede Gemeinde, zur Klimapolitik beitragen? Was hilft, was schadet?  Und da ist vieles unklar, übrigens auch in meiner Familie. Vor zwei Jahren – vor der Corona-Pandemie – stand eine Dienstreise nach Wien an, der Flug war schon gebucht. Als meine Kinder dies hörten, äußerten sie Protest: Man könne auch mit der Bahn nach Wien fahren, und aus Klimaschutzgründen solle man doch Flüge vermeiden. Meine Reaktion darauf – die wir in meinem Buch „Klima muss sich lohnen“ eingehend besprechen – dass innereuropäische Flüge doch Teil des europäischen Emissionshandels seien, und deshalb mehr Emissionen bei Flügen zu weniger Emissionen an anderer Stelle führen würden, erstaunte sie.

Vorneweg sei hier betont, dass das Ob der Klimapolitik nicht zur Disposition steht, ganz im Gegenteil. Das Ziel von Paris, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad Celsius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, ist gesetzt. Die Europäische Union hat beschlossen, bis 2050 klimaneutral zu werden und auf dem Weg dahin bis 2030 ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55% zu reduzieren. Auch das ist gesetzt. Das Wie zur Erreichung dieser Ziele ist aber viel unklarer, und darum geht es in meinem Buch.

Das Ob der Klimapolitik steht nicht zur Disposition. Das Ziel von Paris, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter deutlich unter zwei Grad Celsius zu beschränken, ist gesetzt. Das Wie zur Erreichung dieser Ziele ist aber viel unklarer.
Prof. Achim Wambach, PhD

Was macht die EU, was sollte sie machen? Was sollen und können die Staaten machen, was die Gemeinden, was die Unternehmen, und was jeder einzelne von uns? Dieses „Wie“ entscheidet, wie schwierig die Energiewende sein wird, und auch, ob dafür überhaupt demokratische Mehrheiten gewonnen werden können. Wenn nämlich die Energiewende zu vielen Arbeitsplatzverlusten oder zu hohen Preisbelastungen führt, kann die Begeisterung dafür auch wieder kippen.  

Die Energiewende ist nicht ohne Kosten zu haben. Aber gerade deshalb sollte konsequent darauf geachtet werden, dass bei den Maßnahmen für den Klimaschutzteure Ineffizienzen vermieden und auch bereits bestehende ineffektive Maßnahmen nicht länger verfolgt werden. Auch dazu trägt das Buch bei, indem es analysiert, was wirkt, und was nicht wirkt. Nach der Lektüre sollte die Leserin und der Leser einen guten Eindruck davon haben, auf welchen politischen Ebenen welcher Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels geleistet wird, was nötig ist, und was dies für jeden einzelnen von uns bedeutet. Denn am Ende geht es darum, wie wir Gutes tun können, um Gutes zu bewirken.

Der Text ist ein gekürzter Auszug aus dem sehr lesenswerten Buch „Klima muss sich lohnen“ von Prof. Achim Wambach, PhD.

Wir danken dem Herder-Verlag für die Veröffentlichungsrechte. Link zum Buch.

Quellen

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