Die Technische Analyse zählt zu den in der Praxis am häufigsten verwendeten Analyse- und Handelsmethoden an den Märkten. In der akademischen Forschung wurde und wird diese Analyseform dagegen häufig belächelt und entsprechend vernachlässigt. Zwar treffen einige Modelle bestimmte Annahmen zum sogenannten „Noise Trading“, aber verfehlen dabei das eigentliche Wesen der technischen Analyse. Die Studie „The Interaction Between the Aggregate Behaviour of Technical Trading Systems and Stock Price Dynamics“ beschreibt dagegen ein Modell, in dem rationale technische Analyse und deren Wechselwirkung mit Aktienkursen berücksichtigt wird. [1]
Der Zusammenhang
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Annahme, dass technisches Trading fester Bestandteil des Marktgeschehens ist. In dieser Funktion kann es einen Angebots- oder Nachfrageüberschuss verursachen, wenn verschiedene Strategien entsprechende Cluster an gleichgerichteten Signalen hervorrufen. So können initiale Kursbewegungen, die zum Beispiel durch Nachrichten ausgelöst werden, durch Sequenzen von Trades auf Basis trendfolgender Strategien verstärkt werden. Gibt es viele Signale in gleiche Handelsrichtung, kann es zu einem (destabilisierenden) Überhang an Kauf- oder Verkaufsaufträgen kommen. Ist das der Fall, entsteht ein Feedback-Prozess zwischen den Bewegungen der Aktienkurse und den Signalen bzw. Transaktionen der Strategien: Steigen die Kurse, produzieren die technischen Modelle zunehmend Kaufsignale (und umgekehrt).
Handelssignale sind nicht immer exogen
Stephan Schulmeister untersuchte insgesamt 2580 Trading-Strategien. Jedes dieser Modelle, das eine Long-Position anzeigte, wurde mit +1 bewertet, jede Short-Position mit -1 und jede neutrale Einschätzung mit 0. Dann berechnete er alle 30 Minuten einen Netto-Positionsindex aus der Summe dieser Zahlen über alle Strategien. Auf diese Weise konnte er das aggregierte Verhalten der Strategien im Zeitablauf verfolgen und mit dem Kursgeschehen abgleichen. Er untersuchte zudem, ob sich die Signale der verschiedenen Modelle gegenseitig ausgleichen, indem er für jedes 30-Minuten-Intervall auch die Anzahl der neuen Long- und Short-Signale analysierte.
Auf Basis seiner Untersuchungen kommt er zu folgenden Erkenntnissen:
Oft liegt die Mehrheit der Signale auf der gleichen Seite des Marktes (Long oder Short). Der aggregierte Indikator ist kaum für längere Zeit im Bereich der Null-Linie, was bei einem Random Walk zu erwarten wäre.
Der Prozess, bestehende Positionen als Reaktion auf einen neuen Kurstrend zu verändern, beginnt in der Regel ein bis drei Perioden (hier je 30 Minuten) nach einem lokalen Hoch oder Tief. Setzt sich der neue Trend fort, dauert es 10 bis 20 Perioden, bis sich die Positionen fast aller Strategien von Long auf Short gedreht haben (oder umgekehrt)
Sobald 90 Prozent der technischen Strategien ein entsprechendes Signal gegeben haben, tendieren die Kurse dazu, sich in Richtung dieser Positionen zu bewegen. Verliert die Bewegung an Dynamik, tragen antizyklische technische Strategien zur Umkehr des Trends bei.
Spannend ist vor allem die Schlussfolgerung, dass sich die einzelnen Modelle kaum gegenseitig ausbalancieren. Der Autor schreibt, dass im Durchschnitt nur 2,3 Prozent aller untersuchten Strategien miteinander handeln, also zur gleichen Zeit gegenläufige Signale auslösen.
Wechselwirkung von Trend und Signal
Der Ablauf einer technisch getriebenen Trendfortsetzung gestaltet sich – für den Fall eines Aufwärtstrends – wie folgt:
Ablauf einer technisch getriebenen Trendfortsetzung:
Zunächst dominiert ein initialer Nachfrageüberschuss nicht-technischer Händler, der etwa durch Nachrichten ausgelöst wird. Diese lassen News Trader steigende Kurse erwarten und entsprechende Long-Positionen eröffnen (Punkte A und B auf Abb. 1).
Anschließend erzeugen technische Strategien eine Serie an Kaufsignalen; zuerst die schnellen Modelle, dann die langsameren. Deren Ausführung trägt zur Trendfortsetzung bei. Allerdings kann es sein, dass dieser Feedback-Prozess allein nicht ausreicht, um den Trend zu erhalten, da stets auch Trader mit Mean-Reversion-Strategien am Markt aktiv sind (zwischen Punkt B und C auf Abb. 1).
Falls der Trend anhält, sind nach einiger Zeit (fast) alle technischen Modelle long positioniert (Punkt C auf Abb. 1). Eine weitere Trendfortsetzung ist nun auf andere, nicht-technische Trader zurückführen. Das können etwa unerfahrene, emotional agierende Akteure sein, die bei der Bewegung noch dabei sein möchten und verspätet aufspringen. Oft halten einmal etablierte Trends deshalb noch einige Zeit an, sodass die bereits investierten technischen Strategien davon profitieren.
Das Ende des Trends wird meist durch Nachrichten ausgelöst. Oft kommt es dann zu einer anhaltenden Gegenbewegung (zwischen Punkt F und G auf Abb. 1), auf die technische Modelle mit entsprechender Verzögerung nach und nach reagieren. Damit kann der Prozess in die entgegengesetzte Richtung von neuem beginnen.