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12
03
2021

Nullzinskrise bei den Lebensversicherungen Teil 1: Der Tabubruch

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Trotz der geringen Garantieverzinsung von 0,9 Prozent setzen auch heute noch viele Menschen auf eine Lebensversicherung. Das lässt sich erst nachvollziehen, wenn man die darüber hinausgehende, gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung an den Überschüssen mit einkalkuliert. Die Zeit der vollständig garantierten Produkte scheint aber abgelaufen, nachdem der Branchenprimus Allianz ankündigte, ab 2021 ganz darauf zu verzichten.

Der Status Quo

Das Thema Lebensversicherung ist ein Dauerbrenner. Und das nicht ohne Grund: Breite Teile der Bevölkerung sind hierin investiert. Tatsächlich gibt es in Deutschland etwa so viele Verträge wie Einwohner – Angaben des Branchenverbands GDV zufolge im Jahr 2019 insgesamt 82,8 Millionen. [1]

Zusammensetzung Hauptverträge
Bild 1) Entwicklung der Lebensversicherung
Die Grafik zeigt die Anzahl und Zusammensatzung der Hauptverträge im Zeitablauf.
Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (2020), Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen 2020, S. 18

Trotz der geringen Garantieverzinsung von 0,9 Prozent setzen also auch heute noch viele Menschen auf eine Lebensversicherung. Das lässt sich erst nachvollziehen, wenn man die darüber hinausgehende, gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung an den Überschüssen mit einkalkuliert. Diese ergibt sich bei den einzelnen Versicherern daraus, wie erfolgreich sie in der Kapitalanlage sind, wie viele Versicherte vorzeitig versterben und wie hoch die Kosten ausfallen.

Die Rendite einer klassischen Lebensversicherung ergibt sich aus der Garantieverzinsung zuzüglich der laufenden Überschussbeteiligung und dem Schlussüberschuss. Altverträgen mit hohem Garantiezins von beispielsweise vier Prozent werden dabei in der Regel keine Überschüsse zugeteilt – diese fließen jüngeren Verträgen sowie Neuverträgen mit sehr niedrigem Garantiezins zu, sodass dort die Überschussbeteiligung den größten Anteil ausmacht.

Zusammensetzung Gesamterzinsung
Bild 2) Zusammensetzung der Gesamtverzinsung
Quelle: Aktuar Aktuell (2017), Mitteilungen der Deutschen Aktuarvereinigung e.V., Ausgabe 39, S. 9
Die durchschnittliche Gewinnbeteiligung von 52 Lebensversicherern für das Jahr 2020 liegt bei 2,23 Prozent. Vor zehn Jahren lag sie noch bei über vier und vor 20 Jahren bei mehr als sieben Prozent.
Policen Direkt, Gewinnbeteiligung aller Lebensversicherungen für 2020

Tabu gebrochen

Deutschlands größter Lebensversicherer, die Allianz, bietet nun ab 2021 keine garantierten Altersvorsorgeprodukte mehr an. Bei neuen Verträgen werden demnach nur noch 90, 80 oder lediglich 60 Prozent der Einzahlungen garantiert. [3] Das gilt als Tabubruch in einer Branche, die über Jahrzehnte mit genau dieser vollen Garantie geworben hatte.

Der Haken an der Sache ist, dass die Risiken nun verstärkt auch von den Kunden getragen werden. Es muss sich noch zeigen, wie gut sich diese Tatsache verkaufen lässt. Schließlich ist eine Versicherung doch gerade dazu da, Risiken abzusichern und damit auch zu tragen. Eine Alternative wäre es, die Garantien beizubehalten, aber nur für begrenzte Zeiträume wie etwa zehn Jahre festzuschreiben und dann zu überprüfen. [4]

Da aber in den letzten Jahren schon Produkte ohne Zinsgarantien angeboten und auch nachgefragt wurden, könnte die Rechnung mit den reduzierten Garantien aufgehen. Die entscheidende Frage ist dann, ob die Versicherer tatsächlich in rentablere Anlageklassen gehen, um dort (endlich) wieder höhere Renditen zu erzielen – oder ob alles beim Alten bleibt. Letzteres befürchten Verbraucherschützer, die schon lange die systematisch zum eigenen Vorteil ausgenutzte Intransparenz der Branche anprangern. Demnach sind die in den Verträgen versteckten Kosten so hoch, dass sich das Geschäft in erster Linie für den Versicherer selbst und den Vertrieb lohnt. Es müsste deshalb ein Umdenken stattfinden, sodass wieder vorrangig auf die Bedürfnisse der Versicherten sowie eine echte Solidarität gesetzt wird statt auf die Maximierung der Gewinne und Dividenden.

Fazit

Die Herausforderung der Lebensversicherer liegt darin, in Zukunft höhere Renditen zu erzielen und das Produkt damit für Verbraucher wieder attraktiv zu machen. Ein großes Problem ist allerdings die Intransparenz der Branche. Neben den notwendigen, höheren Anteilen an Investments in rentablere Anlageklassen sollten sich die Versicherer deshalb daran erinnern, was ihren Kunden in jedem Fall einen Vorteil bringt: geringere Kosten in Verwaltung und Vertrieb der angebotenen Produkte.

Quellen

[1] Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (2020), Die deutsche Lebensversicherung in Zahlen 2020
[2] Policen Direkt, Gewinnbeteiligung aller Lebensversicherungen für 2020, https://www.policendirekt.de/ratgeber/gewinnbeteiligung-aller-lebensversicherungen/, Zugriff am 18.11.2020
[3] Allianz Deutschland AG, Neuerungen in der Lebensversicherung: Allianz investiert in Zukunft der Vorsorge, https://www.allianzdeutschland.de/neuerungen-in-der-lebensversicherung-allianz-investiert-in-zukunft-der-vorsorge/, Zugriff am 19.11.2020
[4] Dembowski, A. (2020), Versicherung bedeutet Risikoübernahme, Interview mit Peter Skjodt, Institutional Money 04/2020, S. 244-250

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