Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat jeder von uns schon einmal ein Muster beobachtet, von dem er oder sie überzeugt war, dass es real sein oder eine tiefere Bedeutung haben muss. Schon allein deshalb, weil es uns so unwahrscheinlich erscheint, dass es einfach kein Zufall sein „kann“:
der Anruf der Eltern oder Geschwister genau in dem Moment, in dem man gerade an sie dachte (sogenannte „Gedankenübertragung“)
der alte Schulfreund, den man nach vielen Jahren völlig unerwartet im Urlaub auf der anderen Seite der Welt trifft
der DAX, der das akribisch berechnete Fibonacci-Retracement auf den Punkt genau trifft und dann sofort in die andere Richtung dreht
Überall Muster
Als Menschen haben wir ein Gehirn, das geradezu darauf getrimmt ist, Muster zu erkennen. Der Grund dafür ist, dass diese Fähigkeit in unserer Evolution einen großen Überlebensvorteil darstellte. Wir suchen deshalb – bewusst oder unbewusst – auch heute noch nach Mustern, mit denen wir die Welt verstehen und bessere Entscheidungen treffen möchten.
Das Problem dabei: Nicht immer, wenn wir ein Muster „erkennen“, ist es auch wirklich real. Der Prozess in unserem Gehirn läuft höchst subjektiv ab, da wir nicht die Gesamtheit aller Fälle betrachten – denn unsere Wahrnehmung ist auf das begrenzt, was uns bewusst ist. Genau diese eine Situation, in der uns das Muster auffällt, ist nur eine unter sehr vielen alternativen Szenarien, die uns häufig überhaupt nicht bewusst sind.
Das 7/11 Baby
Gary Smith beschreibt in einem seiner Artikel ein Beispiel, das die Problematik bei der Mustererkennung veranschaulicht („We See the Pattern! – But Is It Real?“). [1]
7-Eleven ist eine der bekanntesten US-Einzelhandelsketten. Aufgrund der Schreibweise 7/11 ist der 11. Juli jedes Jahr ein besonderer Tag, an dem das Unternehmen bekanntlich kostenlose Getränke („Slurpees“) verteilt. Im Jahr 2019 berichtete CNN anlässlich dieses Tages über ein ganz besonderes Ereignis in einer Familie aus Missouri: „Dieses Baby wurde am 7-Eleven-Tag um 7:11 Uhr abends geboren und wog 7 Pfund und 11 Unzen“. [2] In den folgenden Kommentaren rund um diese Story wurde unter anderem darüber philosophiert, wie extrem unwahrscheinlich dieses Ereignis sei.
Doch Gary Smith analysiert ganz rational:
im Durchschnitt werden in den USA am 11. Juli knapp 12.000 Babys geboren, was rund acht Babys pro Minute entspricht
da man zudem vormittags (a.m.) und nachmittags (p.m.) unterscheidet, sind es sogar 16 Babys in jeder Minute des zweifachen 12-Stunden-Rhythmus; es ist deshalb überhaupt nichts besonderes, dass ein Baby am 11. Juli um 7:11 Uhr geboren wurde
besondere Aufmerksamkeit bekam die Story durch das zusätzlich „passende“ Gewicht von 7 Pfund und 11 Unzen; allerdings ist dies ein ganz gewöhnliches Geburtsgewicht
Skeptiker könnten zudem argumentieren, dass man beim Gewicht durchaus um das eine oder andere Gramm nach oben oder unten „nachgeholfen“ haben könnte, um damit möglicherweise landesweite Aufmerksamkeit zu bekommen (und vielleicht auch Geschenke von 7-Eleven, die es im Nachhinein tatsächlich gab). Da die Eltern die Initiative ergriffen und die Medien kontaktiert haben und nicht andersherum, ist diese Version keineswegs von der Hand zu weisen.