Diversifikationseffekte in der Praxis
Es ist unumstritten, dass verschiedene Anlageklassen, die neben positiven Renditeerwartungen eine möglichst geringe Korrelation sowie eine erhöhte Dispersion untereinander aufweisen, der Theorie nach einen klassischen Diversifikationseffekt bieten. Dieser stellt einen „kostenlosen“ Mehrwert, also ein Free Lunch im Sinne eines verbesserten Rendite/Risiko-Verhältnisses des Gesamtportfolios dar.
In der Praxis sieht die Sache aber oft anders aus. Hier sind folgende drei Herausforderungen zu nennen, die den Umfang des Free Lunch einschränken:
- während die erwarteten Renditen der verschiedenen Anlageklassen positiv sind, können die tatsächlich erzielten Renditen auch über längere Zeiträume negativ sein
- die Korrelationen der meisten Asset-Klassen untereinander sind in der Regel positiv und zudem oft höher als in theoretischen Modellen angenommen
- vor allem in Krisenzeiten, in denen die Portfolios besonders auf die Streuung der Risiken angewiesen sind, versagt die Diversifikation regelmäßig
Diese Punkte führen dazu, dass die effektiven Diversifikationsvorteile in der Praxis geringer sind als anhand klassischer Modelle zu erwarten. Die meisten Marktteilnehmer werden also – bildlich gesprochen – von ihrem schmackhaften Free Lunch am Ende kaum satt, weil es in Wahrheit eine Menge leerer Kalorien enthält. Deshalb müssen sie für eine auskömmliche Rendite letztlich auch höhere Risiken in den Speiseplan integrieren. Und dennoch: Die Diversifikation über mehrere Anlageklassen bliebt in den meisten Fällen insgesamt ein Vorteil, wenngleich ein kleinerer als erwartet.
Eine Frage der Kosten
Allerdings haben wir in der bisherigen Betrachtung eine wichtige Komponente vernachlässigt: Die anfallenden Gebühren für eine fortlaufende Positionierung in den einzelnen Anlageklassen. Diesem Thema widmet sich die von William Jennings und Brian Payne verfasste Studie „Fees Eat Diversification's Lunch“. [1] Wie der Titel schon erahnen lässt, argumentieren die Autoren, dass die teils hohen Kosten den verbleibenden Vorteil der Diversifikation weitgehend aufzehren.
Die Studie greift auf ein Konzept zurück, das Charles Ellis schon im Jahr 2012 in einem kurzen Journal-Beitrag beschrieb. [2] Demnach sollten die Gebühren nicht als Prozentsatz der Assets under Management, sondern als Prozentsatz des tatsächlich erzielten Alphas gemessen werden – und aus dieser Perspektive sind die Gebühren erstaunlich hoch.