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18
03
2021

Systematische Strategien: Fundamental vs. Technisch.

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Winton, einer der führenden Anbieter systematischer Handelsmodelle, beschreibt in einem Artikel die Vorteile kursbasierter Strategien gegenüber fundamentalen Ansätzen – mit eindeutigem Fazit. Wir fassen zusammen.

Eine klassische Diskussion an den Märkten dreht sich um die Frage, ob bei diskretionären Anlagestrategien technische oder fundamentale Ansätze besser funktionieren. Das ist allerdings nicht Thema des eingangs genannten Winton-Artikels. [1] Denn dort wird versucht, analog dazu eine Einschätzung auf systematischer Ebene zu treffen. Konkret werden demnach klar definierte, kursbasierte Konzepte wie etwa Trendfolgestrategien mit ebenfalls systematischen, aber mittels Fundamentaldaten entwickelten Modellen verglichen.

Schwammige Fundamentaldaten

Das entscheidende Problem: Fundamentale Daten sind anders als tatsächlich gehandelte Kurse und Umsätze mit einer gewissen Unsicherheit verbunden. So können einzelne Datenpunkte ungenau sein und müssen später eventuell deutlich korrigiert werden. Dies kann bereits in der Phase der Strategieentwicklung einen erheblichen Einfluss haben, was etwa die Verlässlichkeit eines Backtests angeht, der nicht auf hochwertigen Point-In-Time-Daten beruht.

Winton argumentiert nun, dass sich durch Corona die Aussagekraft vieler Wirtschaftsdaten erheblich verschlechtert hat. Der Beinahe-Stillstand im Shutdown, ein gleichzeitiger Angebots- und Nachfrageschock sowie extreme Datenpunkte in den Statistiken zu Beschäftigung und anderen Wirtschaftsindikatoren sind einzigartige Ereignisse, die bisher als solide erachtete Zusammenhänge aus den Angeln heben können. Hinzu kommt der enorme Einfluss der Geld- und Fiskalpolitik. Dem Artikel zufolge gab es nur in den 1940er Jahren eine annähernd vergleichbare Situation infolge des Zweiten Weltkriegs.

Bild 1) Extreme Ausschläge
Die Corona-Krise brachte bei einigen zentralen Wirtschaftsdaten nie dagewesene Ausschläge mit sich.
Quellen: Winton Group (2020), Price-Based Strategies at Times of Fundamental Uncertainty; Federal Reserve Bank of St. Louis; Bloomberg

Die schnellen und extremen Veränderungen der Weltwirtschaft machen es Winton zufolge noch schwieriger als zuvor, anhand von Fundamentaldaten einen systematischen Vorteil zu erzielen. So sind beispielsweise die Entwicklung der Unternehmensgewinne und damit die Aktienkurse in hohem Maße davon abhängig, ob und wie stark Zentralbanken und Politik (weiter) intervenieren. Dabei spielen gerade für die Aktienkurse auch die entsprechenden Erwartungen eine große Rolle. Diese lassen sich anhand des tatsächlichen Kursverlaufs viel schneller und direkter beurteilen, als es mit potenziell ungenauen, nachlaufenden Fundamentaldaten möglich ist.

Die genannten Nachteile sprechen schon grundsätzlich eher gegen fundamentale Strategien – aber im aktuellen Marktumfeld ganz besonders. Allein die Spannweite einiger viel beachteter Schätzungen für das laufende Jahr sprengen den bisherigen Rahmen. Das ist für alle Asset Manager eine neue Herausforderung, aber ganz besonders für jene, die Modelle auf Basis von Wechselwirkungen in Fundamentaldaten anwenden. Bisher als grundlegend erachtete, stabile Zusammenhänge könnten aufgeweicht oder sogar irrelevant werden. Das würde bedeuten, dass die entsprechenden Modelle grundsätzlich infrage gestellt wären.

Bild 2) Extreme Bandbreite
Die Schätzungen für das Jahr 2020 weisen bei einigen Wirtschaftsdaten extrem hohe Spannweiten auf.
Quelle: Winton Group (2020), Price-Based Strategies at Times of Fundamental Uncertainty; Bloomberg; Wall Street Journal
Die schnellen und extremen Veränderungen der Weltwirtschaft machen noch schwieriger als zuvor, anhand von Fundamentaldaten einen systematischen Vorteil zu erzielen.

Die Vorteile preisbasierter Strategien

Auch auf Seiten der Kurse gab es einige Extreme: Beispielsweise der historisch schnelle, tiefe „Wasserfall-Crash“ am Aktienmarkt, der Absturz der Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen auf unter ein Prozent und erstmals negative Preise für WTI-Öl-Futures.

Allerdings haben Daten, die nur auf Kursen und Umsätzen basieren, einen entscheidenden Vorteil: Die Unsicherheit entfällt.

Es handelt sich um verlässliche Inputs, auf deren Basis sich alle gehandelten Assets fortlaufend bewerten lassen. Dies kann in Trendfolgemodellen und anderen systematischen Handelsstrategien optimal umgesetzt werden. Denn im Gegensatz zu fundamentalen Strategien, die häufig implizit Prognosen erstellen und sich dann entsprechend positionieren, kommen preisbasierte Ansätze ohne die Schätzungen von Analysten und andere ungenaue Daten aus.

In Sachen Performance liefen vor allem Trendfolgestrategien oft besonders gut, wenn die fundamentalen Schätzungen sehr schlecht waren. Das zeigt Winton im Artikel anhand einiger ausgewählter Beispiele. Deshalb ermöglichen Trendfolgestrategien eine gute Diversifikation gegenüber Ansätzen, die auf fundamentalen Inputs basieren. Die Positionierungen der beiden Ansätze können dabei durchaus im Widerspruch zueinander stehen. Das hängt auch damit zusammen, dass Trends häufig dann entstehen, wenn sich eine Konsens-Meinung langsam verändert. Dabei besteht bei systematischen Trendfolgestrategien durch das fortlaufende, systematische Anpassen des Exposures an jeden neuen Datenpunkt nicht das Problem, den „optimalen“ Ausstieg ermitteln zu wollen, was oft bei diskretionären technischen Strategien (vergeblich) versucht wird. Die Positionsgrößen werden in der Regel einfach durch die Stärke der Trends und deren Volatilität bestimmt.

Fazit

Unter den systematischen Strategien sollten sich kursbasierte Ansätze als verlässlicher erweisen als fundamentale Modelle. Letztere unterliegen einer erhöhten Unsicherheit über die Genauigkeit der Datenbasis und der daraus abgeleiteten (impliziten) Prognosen.

Quellen

[1] Winton Group (2020), Price-Based Strategies at Times of Fundamental Uncertainty, www.winton.com, Zugriff am 16.09.2020

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