Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Impact Investing in den letzten Jahren? Verlief diese, wie Sie sie erwartet haben?
Jörg Geier: Wir sind auf dem richtigen Weg. Allerdings müssen wir unsere Bemühungen weiter beschleunigen, um die notwendige ökonomische und gesellschaftliche Transformation anzustoßen: Der Bericht Investing for Impact der International Finance Cooperation stellt fest, dass im Jahr 2020 2,3 Billionen US-Dollar für Impact-Themen investiert wurden. Dies entspricht etwa 2 % der globalen Assets under Management (Anm. d Red.: AUM, Deutsch: verwaltete Vermögen). Impact Investing ist nach wie vor eine kleine Marktnische, die jedoch auf wachsendes Interesse stößt. Die Europäische Kommission veröffentlichte 2021 ihre „Strategie zur Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft“. Als Teil der Strategie gibt es mehrere Maßnahmenpakete, einschließlich eines EU-Taxonomie-Rahmens und Standards für nachhaltige Finanzen, welche die notwendigen Anreize für mehr Impact-Investitionen setzen sollen. Solche rechtlichen Rahmenbedingungen sind essenziell, um die nachhaltige Transformation der Wirtschaft voranzubringen. Es tut sich also etwas.
Wie die COVID-19-Pandemie gezeigt hat, können Krisen die Resilienz von Unternehmen sogar stärken: Eine zunehmende Anzahl der Investoren erkennt an, dass Unternehmen mit starken ESG-Praktiken während der Pandemie besser abgeschnitten haben, was die nachhaltige Ausrichtung der Unternehmensstrategie zusätzlich untermauert. Dennoch gibt es noch viel Luft nach oben: Die Messbarkeit von Impact ist eine notwendige Grundlage, um in Bereichen wie CO₂-Emissionen und Biodiversität weiter Fortschritte zu erzielen. Ein objektiver Wert kann in der Finanzwelt nämlich nur zugeordnet werden, insofern sich etwas messen lässt. Daher tummeln sich in diesem Bereich auch immer mehr Impact-orientierte Start-ups.
In anderen Ländern, etwa Großbritannien, wirbt die Regierung aktiv für das Impact Investing.
Glauben Sie, die deutsche Regierung könnte absehbar auch eine solche Empfehlung aussprechen oder ist das Impact Investing dafür noch zu wenig präsent im Land?
Jörg Geier: Aus dem im November 2021 veröffentlichten Koalitionsvertrag der Bundesregierung geht hervor, dass die Ampel-Koalition den Markt für nachhaltige Finanzen in Deutschland stärken möchte. Bereits die vorangegangene Regierungskoalition hatte im Mai 2021 die „Deutsche Strategie für Nachhaltige Finanzierung (Sustainable Finance)“ angeschoben, um so Klimaschutz und Nachhaltigkeit als wesentliche Leitgedanken für die Finanzwirtschaft festzulegen. Der Koalitionsvertrag der Rot-Grün-Gelben-Regierung geht im Kapitel zu „Sustainable Finance“ vor allem auf bereits laufende EU-Initiativen ein. Im Vordergrund steht hier auch der Dialog mit der Wirtschaft, indem ökologische und soziale Werte in bestehende Rechnungslegungsstandards integriert werden. Ziel der Koalitionsparteien ist zudem, auf EU-Ebene Mindestanforderungen umzusetzen, so dass die großen Rating-Agenturen Nachhaltigkeitsrisiken bei Kreditratings verbindlich berücksichtigen.
Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht arbeitet auf Basis von EU-Verordnungen ebenfalls an einer Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen, um so zu definieren, wie Kapitalverwaltungsgesellschaften ihre Fonds künftig ausgestalten müssen, wenn sie diese als nachhaltig bezeichnen oder bewerben wollen. Dennoch hat in vielen angelsächsischen Ländern das Anlegen in Aktien eine andere Tradition als in Deutschland. Deshalb geht es in Deutschland nicht nur darum, ein Bewusstsein für Impact-Investitionen zu schaffen, sondern für ein Anlageverständnis, das über das vielseits beliebte Sparbuch hinausgeht, gerade bei älteren Menschen. Dies ist womöglich eine zusätzliche Hürde.
Wird Impact Investing denn absehbar auch die Millionen Kleinaktionäre erreichen, die es mittlerweile in Deutschland gibt? Bisher gibt es für diese nur sehr wenige Angebote.
Jörg Geier: Nicht zuletzt aufgrund des stetig wachsenden Interesses an nachhaltigen Finanzprodukten bei Anlegern und Kleinaktionären steigt auch der Druck auf Seiten der Anbieter. Dies hat zur Folge, dass vermehrt Fonds angeboten werden, die nachhaltigen Anlagekriterien unterliegen. Eine Alternative zu herkömmlichen Fonds könnten börsengehandelte Indexfonds, die sogenannten ETFs, sein. Auch bei ETFs existieren nachhaltige Varianten. Direktinvestitionen in einzelne Titel erfordern gemeinhin ein größeres Hintergrundwissen. Unternehmen werden von Rating-Agenturen zwar auch nach sogenannten ESG-Kriterien bewertet; aber um diese einordnen zu können, müssen häufig unterschiedliche Kriterien und persönliche Präferenzen, etwa ökologische oder soziale Belange, abgewogen werden.