Große Stiftungen und Pensionsfonds lassen sich bildlich gesprochen mit Tankern auf hoher See vergleichen: Sie haben ein klares Ziel, befinden sich auf direktem, vorher berechnetem Kurs und sind meist schwer beladen – also fast vollständig investiert. Das bedeutet, dass bei Turbulenzen der eingeschlagene Kurs nicht schnell geändert werden kann. Stattdessen vertrauen sie auf ihren Investmentprozess, ihre Due Diligence und den Diversifikationseffekt. Damit lassen sich selbst schwere Stürme an den Märkten durchzustehen, wie frühere Erfahrungen zeigten, bevor es wieder in ruhigen Gewässern vorangeht.
Allerdings sind die Naturgewalten an den Märkten ganz andere als auf hoher See – und weitaus schwerer zu kalkulieren. Wie herausfordernd das Umfeld tatsächlich ist, verdeutlichte ein erst kürzlich von Richard M. Ennis veröffentlichtes Paper mit dem Titel „Endowment Performance“, das eine Underperformance von Stiftungen dokumentiert. [1]
Der Anlagestil von Stiftungen
Der Studie zufolge gibt es wiederkehrende Elemente, die verschiedenen Stiftungen in ihrem Anlagestil gemeinsam sind. Neben einer allgemeinen Tendenz zum Value Investing sind das vor allem folgende drei Punkte: [1]
Anlagestil verschiedener Stiftungen:
Aktives Management: Die (angenommene) Fähigkeit der Anlagemanager von Stiftungen, besondere Expertise bei Zielfonds erkennen und ausnutzen zu können. Große Stiftungen greifen dem Paper zufolge meist auf eine hohe Anzahl verschiedener Zielinvestments zurück, bei denen passive Produkte im Durchschnitt nur rund 6 Prozent ausmachen. Die Bereitschaft, für die wahrgenommenen Skills externer Manager zu zahlen, zeigt sich vor allem an erheblichen Anteilen kostenintensiver Investments etwa in Hedgefonds.
Fokus auf Aktien: Die Einschätzung, dass vor allem Aktien die Allokation bestimmen sollten, ist unter Anlagemanagern von Stiftungen weit verbreitet. Allerdings variiert der Aktienanteil in Abhängigkeit vom Umfang des Gesamtportfolios: Große Stiftungen weisen im Mittel ein effektives Aktien-Exposure von 72 Prozent auf, kleine Stiftungen von 63 Prozent.
Private Equity / Debt / Real Estate: Private Märkte sind ein weiterer Schwerpunkt vieler Anlagemanager von Stiftungen und derer Berater. Häufig wird angenommen, dass diese Märkte eine gute Diversifikation bieten und erfahrene Manager dort besser profitieren können. Neben Hedgefonds stellt dies die Alternatives-Komponente im Portfolio dar.
Dieser grob umrissene Anlagestil von Stiftungen erzielte in den 1990er Jahren und zu Beginn dieses Jahrhunderts sehr gute Ergebnisse. Die Wahrnehmung der Marktteilnehmer dafür war groß, sodass dieser Stil bei Anlegern weltweit auf anhaltendes Interesse gestoßen ist – und zum Teil auch heute noch stößt.
Langfristige Renditen
Kommen wir zurück zur eingangs erwähnten Underperformance. Richard Ennis betrachtet in seiner Studie 43 große Stiftungen im Zeitraum von Juni 2008 bis Juni 2019, die mehr als eine Milliarde US-Dollar verwalten. Diese untersucht er im Vergleich zu individuell festgelegten Benchmarks. Als Ergebnis seiner Regressionen erhält er Alphas, die zwischen -3,56 und + 2,07 Prozent liegen. Während keines der positiven Alphas statistisch signifikant positiv ist, erweist sich jedoch etwa jedes vierte negative Alpha als signifikant. Daraus schlussfolgert der Autor, dass große Stiftungen ihre Benchmarks im Betrachtungszeitraum deutlich underperformten. [1]
Dieses Ergebnis wird auch in der langfristigen Studie von Dennis Hammond bestätigt, die den gesamten verfügbaren Datenzeitraum über die Performance von Universitätsstiftungen von 58 Jahren analysiert. [2] Demnach erzielten die Stiftungen im Durchschnitt 8,5 Prozent pro Jahr und rentierten damit schlechter als die traditionelle 60/40-Benchmark aus Aktien und Anleihen, die 9,3 Prozent pro Jahr erzielte. Dabei schnitten die großen Stiftungen insgesamt noch am besten ab. Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass sie – anders als kleine Stiftungen – über einen besseren oder gar exklusiven Zugang zu den wirklich profitablen Zielinvestments verfügen und/oder niedrigere Gebühren durchsetzen können.
Andere Sichtweisen
Allerdings gibt es auch andere Stimmen. Das liegt vor allem daran, dass die Einschätzung über Under- und Outperformance sowohl von der Benchmark als auch vom Zeithorizont abhängen kann.
Hossein Kazemi von der University of Massachusetts argumentiert, dass nicht immer eine angemessene Benchmark verwendet wird. Statt einer US-Benchmark, die aufgrund der hohen Renditen in den letzten 20 Jahren ohnehin schwer zu schlagen war, muss ein Vergleichsmaßstab verwendet werden, der auch internationale Aktien beinhaltet – schließlich sind diese meist ein wesentlicher Bestandteil der Portfolios. Zudem wird oft der Cash-Bestand nicht berücksichtigt. Obwohl dieser in den meisten Fällen gering ist, hat er doch einen systematischen Einfluss. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte hätten die durchschnittlichen Renditen der Stiftungen seit dem Jahr 2000 – also inklusive der acht guten Jahre bis 2008 – Kazemi zufolge über der Benchmark gelegen. Zudem weist er darauf hin, dass klassische alternative Investments, die bei Stiftungen verstärkt zum Einsatz kommen, in den letzten 20 Jahren insgesamt gut performt haben. [3]
Alternative Investments
Als Erklärung für die beobachtete Underperformance werden in der Studie von Richard Ennis aber genau diese alternativen Investments herangezogen – also Hedgefonds sowie Investments in die bereits genannten Private Markets. Dies steht zunächst im Widerspruch zum von Vertretern alternativer Investments häufig beschriebenen Vorteil, dass diese bessere risikoadjustierte Renditen sowie Diversifikationspotenzial bieten würden.
Doch das Argument hat Gewicht. In einer anderen Studie des Autors wird untersucht, welche Anlageklassen tatsächlich zur Diversifikation beitragen. [4] Dazu werden diese schrittweise als erklärende Variablen zu einem Regressionsmodell hinzugefügt und parallel die entsprechenden statistischen Größen – konkret das Bestimmtheitsmaß sowie der Standardfehler der Regression – berechnet. Damit wird überprüft, wie gut die Renditen im Modell erklärt werden.
Die Ergebnisse verdeutlichen den Paradigmenwechsel. Im Zeitraum von Juli 1999 bis Juni 2008 hatten alternative Investments einen erheblichen Diversifikationseffekt: Durch das Hinzufügen zu einem Portfolio aus Aktien und Anleihen stieg zum Beispiel das Bestimmtheitsmaß von 0,66 auf 0,97. Doch seit Juli 2008 war der Diversifikationseffekt beinahe zu vernachlässigen. Hier lag das Bestimmtheitsmaß schon allein unter Einbezug globaler Aktien und Anleihen bei 0,99. Das bedeutet, dass sich die Renditen der Stiftungen allein durch diese beiden Anlageklassen fast vollständig erklären ließen. Das gleiche Muster findet sich dem Autor zufolge in diesem Zeitraum auch bei den Renditen öffentlicher Pensionsfonds. [4]
Das sind erstaunliche Ergebnisse. Obwohl die Portfolios vieler Stiftungen einen nennenswerten Anteil alternativer Investments haben, lassen sich die Renditen mit nur zwei Variablen, nämlich globalen Aktien und Anleihen, erklären. Konkret lässt sich die vom Autor untersuchte Auswahl großer Universitätsstiftungen im Untersuchungszeitraum am besten durch eine Benchmark aus drei Indizes mit folgenden Gewichtungen beschreiben: 53 Prozent Russell 3000, 17 Prozent MSCI ACWI ex US und 30 Prozent Bloomberg Barclays Global Aggregate Bond. [4]