Einmal in aller Ewigkeit
9/11 ist ein Datum aus dem Jahr 2001, an das viele Menschen mit Angst und Schrecken zurückdenken: Die Terroranschläge in den USA. Die umgekehrte Reihenfolge, 11/9, geht dagegen als Tag einer befreienden Nachricht in die Geschichte ein. Denn am 9. November 2020 wurde ein wirksamer Corona-Impfstoff angekündigt. Die Märkte feierten die Meldung mit einem Kurssprung – doch nicht alle waren glücklich über die rasante Kehrtwende, vor allem nicht die Quants.
Ein Artikel auf Bloomberg brachte es auf den Punkt: Ein Quant-Schock, der eigentlich niemals passieren könnte, trifft die Modelle hart. [1] Jon Quigley, CIO von Great Lakes Advisors, hat berechnet, dass der Crash des Momentum-Faktors an diesem Tag unter theoretischer Annahme einer Normalverteilung nur einmal in – halten Sie sich fest –5.944.505.312.905.660.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 Tagen auftreten dürfte.
Wir haben das nicht nachgerechnet. Aber auch eine Zehnerpotenz mehr oder weniger wäre unerheblich. Denn entscheidend ist die schier unvorstellbare Größenordnung. Zum Vergleich: Unser Universum ist etwa 13,8 Milliarden Jahre alt, was nur rund 5.000.000.000.000 Tagen entspricht.
Zwar kann man an den Märkten nicht von einer Normalverteilung ausgehen, aber selbst unter Annahme deutlich häufigerer Extremwerte mit stark ausgeprägten Fat Tails war die plötzliche Rotation ein riesiger Schock für jedes Risikomodell. Denn während Momentum-Werte schlagartig crashten, explodierten gleichzeitig Small Caps und Value-Aktien.
Das Ereignis erinnert an eine Befürchtung, die so manchen Experten umtreibt: Das viele in Quant-Strategien investierte Geld könnte ein Crowding verursachen – und ein unerwartetes Trigger-Event dann einen verheerenden Crash auslösen. Dass dieses Szenario keineswegs aus der Luft gegriffen ist, wissen Quants schon lange. Vor allem diejenigen, die im August 2007 bereits im Geschäft waren.
Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung der von Quant Hedge Funds verwalteten Assets in den letzten fünf Jahren. Die Daten stammen aus der proprietären Datenbasis von Aurum Funds. Die führende, nicht kostenfrei zugängliche Datenbank von Hedge Fund Research weist dagegen ein insgesamt höheres Niveau der Assets under Management aus.
Der Quant Meltdown
Der 6. August 2007 war kein gewöhnlicher Wochenstart. Innerhalb weniger Tage sollte sich eine der turbulentesten Phasen abspielen, die der Quant-Bereich jemals erlebt hat. Nach vielen Jahren mit attraktiven Renditen drängten nicht nur immer neue Anleger in quantitative Strategien, sondern es wurde auch mit vergleichsweise hohen Hebeln hantiert. Das machte das System inhärent instabil.
Es brauchte nur noch einen Trigger, der den Crash auslöste. Wie George Mussalli in „Quant Meltdown: 10 Years Later“ schreibt, geschah dies beim ersten Abbröckeln des damaligen Subprime-Marktes. Nach Jahren abnehmender Kreditqualität, sinkender Kreditvergabestandards und beträchtlicher Mittelzuflüsse drehte der Wind, sodass bei den großen Adressen plötzlich und gleichzeitig Liquidität gefragt war – und diese gab es vor allem im Quant-Bereich. Kurzfristig wurden so viele Positionen glattgestellt, dass es zu unbeabsichtigten Dominoeffekten kam: Die die Volatilität der Faktorrenditen stieg in kürzester Zeit um das Fünffache, und sonst unkorrelierte Faktoren liefen plötzlich synchron – eine Katastrophe für die Risikomodelle. [2]
Gary Chropuvka, der heutige Co-Head für Quant-Strategien bei Goldman Sachs Asset Management, sagte gegenüber der Financial Times zu seinen damaligen Erfahrungen: