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2022

Das Geld von morgen ist dezentral – Interview mit Frank Schwab.

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Das Geldsystem und des Zahlungsverkehrssystem, so wie wir es heute kennen und nutzen, stammt noch aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Sind die Blockchain-Technologie und Kryptowährungen die Zukunft des Geldes oder nur eine große Blase? Im nachfolgenden Interview erfahren Sie von Frank Schwab, warum das Geld der Zukunft dezentral ist.

Herr Schwab, bevor wir in das Thema einsteigen, erzählen Sie uns etwas über Ihren bisherigen Werdegang und vor allem wie und warum Sie in die Welt der Kryptowährungen eingestiegen sind?

Frank Schwab: Ich habe vor 32 Jahren eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht und anschließend Wirtschaftsinformatik studiert, aber bin dem Bankwesen jetzt seit 32 Jahren treu geblieben und war unter anderem 21 Jahre bei der Deutschen Bank und habe dort im Jahr 2001 beispielsweise die Yahoo Deutsche Bank 24 Kreditkarte implementiert. Das war im Prinzip auch schon eine digitale Währung, mit der man bei den ersten Onlineshops bezahlen konnte. Im Jahr 2010 habe ich mich selbstständig gemacht und war als Berater von Banken unterwegs, wenn es um Transformation und Veränderung geht. Im selben Jahr bin ich zur Fidor Bank gekommen und dort auch das erste Mal mit Kryptowährungen und Blockchain in Berührung gekommen.

Wie würden Sie jemanden Bitcoin kurz und einfach erklären? Warum sind die Blockchain und der Bitcoin wirklich eine Revolution?

Frank Schwab: Das Geldsystem und des Zahlungsverkehrssystem, so wie wir es heute kennen und nutzen, stammt noch aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Und die Zahlungsverkehrsprozesse wurden eben nie für diese digitale Welt, so wie wir sie heute erleben, gebaut. Und das ist bei Bitcoin ganz anders: Der Bitcoin wurde nur für diese Welt gebaut und das ist schon mal ein wesentlicher Unterschied im Handling. Das andere sind die Transaktionsgebühren. Die sind nämlich im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich, je nachdem ob man mit seiner Kreditkarte bezahlt, per Überweisung usw. Ein weiterer Punkt ist, dass der Bitcoin letztendlich privates Geld ist oder privater digitaler Vermögenswert. Hinter dem Bitcoin steht nämlich weder ein Staat noch eine Bank noch eine Zentralbank, sondern nur diese Open-Source-Software und alle Beteiligten, die eben dieses Bitcoin-Netzwerk zur Verfügung stellen und die daran glauben, dass Bitcoin eben ein digitaler Vermögenswert für die digitale Welt ist.

Die Regulatoren tun sich jedenfalls schwer mit der Einordnung. Ist Bitcoin ein Asset, eine Währung? Wie würden Sie Bitcoin tatsächlich einstufen?

Frank Schwab: Es gibt erst mal das Traditionelle, also ganz am Ende ist Geld das, was zwei Parteien, die einen Wert austauschen wollen, als Geld akzeptieren. Und wenn es zwei Leute gibt, die sagen okay, Bitcoin ist für mich gut, dann ist das für die zwei Leute ein Tauschmittel. Traditionell gibt es drei Kriterien, mit denen man Geld definieren kann: Taugt es als Recheneinheit? Das geht mit dem Bitcoin, aber nicht besonders einfach. So kostet ein Auto z.B. 1 oder 2 Bitcoins, bei einem Brötchen ist es eine Null mit mehreren Nachkommastellen, aber etwas unbequem im Alltag. Das andere ist der Dienst als Zahlungsverkehr. Bitcoin ist total einfach von A nach B zu transferieren, wenn man eine entsprechende App hat – für die Digital Natives ist das kein Problem.

Und dann gerät man auch über den Store of Value, also die Wertaufbewahrungsfunktion. Bitcoin ist zugegebenermaßen wahnsinnig volatil, aber es ist ja auch nicht so, dass Gold keine Schwankungen hätte und es ist schon irgendwie vergleichbar mit Gold. Insgesamt würde ich also sagen: Alle drei Anforderungen an Geld erfüllt der Bitcoin und erfüllen sehr viele Kryptowährungen. Es kommt aber eine weitere Fähigkeit hinzu, die das Geld traditionell eben nicht hat, Bitcoin oder andere Kryptowährungen dagegen schon: Viele Kryptowährungen haben die Eigenschaft, dass sie auch programmierbar sind. Als Beispiel könnte man z.B. abhängig von dem veröffentlichten Gewinn bestimmte Zahlungen auslösen oder man könnte z.B. an eine Währung für Leute unter 18 denken, mit der sie alles außer Alkohol kaufen können usw. Genau das macht Kryptowährungen letztendlich zu potenziellen Währungen. Und das war ja die Frage: Ist es Geld, was macht es zum potenziellen Geld? Wir müssen aber auch irgendwie in Betracht ziehen, wie jung diese Konzeption und diese Gedanken sind. In der breiten Öffentlichkeit spricht man da erst seit fünf oder sechs Jahren davon, wenn überhaupt.

Sie beschreiben in Ihrem Buch eine Analogie zum Automobil. Hier war die Skepsis am Anfang so groß, dass Menschen mit Fahnen neben den fahrenden Autos mitlaufen mussten.

Frank Schwab: Das ist eben so, wenn es um Innovation geht. Da weiß man am Anfang eben nicht genau, was man da so hat und wohin das führt. Am Ende ist es für die breite Masse aber nicht relevant, wie das technisch ist, sondern die Frage: Welchen Nutzen stiftet diese Art von Geld? Aber in dem Moment, wo es für eine bestimmte Gruppe Nutzen stiftet, besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass es eben auch genutzt wird.

Wir haben vorhin festgestellt, dass Geld Vertrauen ist. Warum soll ich der Blockchain vertrauen und nicht mehr einer zentralen Instanz wie einer Notenbank, Geschäftsbank oder dem Staat?

Frank Schwab: Ich versuche es mal anders zu erklären. Warum glauben wir, dass das Flugzeug landet? Warum steigen wir in ein Flugzeug ein? Der Normalsterbliche versteht nicht, warum diese Tonnen an Stahl in der Luft fliegen, für die Mehrheit ist auch nicht nachvollziehbar, wie so ein Flugzeug tatsächlich funktioniert. Ich kann mir das so ein bisschen vorstellen, aber ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Warum steige ich dennoch ein? Weil ich genug andere habe aussteigen sehen. Und als ich dann das dritte Mal selbst geflogen bin, hat sich die Flugangst auch verflüchtigt, einfach durch das wiederholte positive Erlebnis. Und dann muss ich einfach den Leuten vertrauen, die so ein Flugzeug fliegen. Der Vergleich der Blockchain mit einem digitalen Grundbuch oder einer digitalen Kasse ist ein sehr guter Vergleich, weil jeder Kasseneintrag verzeichnet wird. Ich kann zum Beispiel – und das unterscheidet eben die Blockchain von allem anderen – keine Buchung rückgängig machen. Wenn ich also eine Transaktion gemacht habe, dann ist die für alle Ewigkeit festgeschrieben. Und das Besondere ist, dass jeder, der ein gewisses technisches Verständnis hat, das auch nachvollziehen kann. Und das ist schon einmal ein großer Unterschied zu vielen anderen Dingen. Ich weiß nicht, wie viele Menschen es auf der Erde gibt, die genau wissen, wie ein Flugzeug funktioniert und die eines bauen und kontrollieren können. Ob das, was da in der Blockchain passiert rechtens ist, könnten viel mehr Menschen überprüfen. Und das ist eben der große Unterschied. Es ist eben auch Open Source, d.h. jeder kann den Code einsehen, jeder kann an dem Code mitwirken, und etwas beitragen. Wenn diese Änderung von der Mehrheit der Beteiligten als gut befunden wird, dann geht diese sogar in die Weiterentwicklung des Codes ein.

Dass sich Kryptowährungen in bestimmten Bereichen mittel- bis langfristig durchsetzen werden, davon bin ich fest davon überzeugt. Genauso wie sich das Internet durchgesetzt hat. Und das schaltet auch keiner mehr aus, weil der Nutzen so hoch ist.
Frank Schwab

Wir leben im Euroraum und haben keine Probleme wenn es um Zahlungsverkehr geht. Andere Länder in Afrika oder Südamerika haben da ganz Voraussetzungen und nutzen Bitcoin teilweise auch wirklich im täglichen Leben. Ist unser Misstrauen auch deswegen so geprägt, weil wir im Grunde genommen keine Notwendigkeit für ein neues Zahlungs- bzw. Geldsystem sehen?

Frank Schwab: Ja, das ist sicherlich so. Wir haben ja auch kein Internetproblem. Ich nutze hier eine 600 Gigabyte Leitung in meinem Haus, das ist super. Je nachdem in welcher Straße ich in Berlin bin, sieht es aber anders aus. Aber im Prinzip stimme ich zu: Im Prinzip funktioniert bei uns alles. Es funktioniert nur nicht besonders schnell. Im Vergleich zu anderen Regionen in der Welt und auch nicht mehr notwendigerweise besonders gut, nur merken wir das noch nicht, weil wir ja hier leben und nicht woanders.

Ein zentrales Thema beim Bitcoin, aber auch vielen anderen Kryptowährungen ist das Argument, dass diese eine fixe Anzahl haben, also nicht vermehrbar.  Dieser Faktor sorgt für die Kursfantasie. Glauben Sie, der Bitcoin wäre in einem anderen Zentralbankumfeld – Stichwort QE und Minuszinsen – auch so eine Riesenstory geworden wäre?

Frank Schwab: Nein, das glaube ich nicht. Aber ich persönlich glaube, dass der Bitcoin der Startpunkt dieser Entwicklung ist. Niemand kann vorhersagen, wo das endet. Der Bitcoin hat dabei den Vorteil, dass er der erste seiner Art ist und auf 21 Millionen begrenzt ist. Die Notenbanken haben aus meiner Sicht zwar schon ein bisschen verschlafen und haben sicherlich ein bisschen unterschätzt, wie schnell das geht und wie schnell das auch akzeptiert wird. Von vielen Leuten versuchen jetzt natürlich, jetzt hier mit CBDCs (Central Bank Digital Currencies) dagegen zu halten.

Welche Rolle spielen die Themen Inflation und Notenbanken bei der Adoption von Kryptowährungen in der breiten Bevölkerung?

Frank Schwab: Die einzige Aufgabe der Zentralbanken besteht darin, den Geldwert einer Währung stabil zu haben und das ist keine leichte Aufgabe. Es sieht so aus, als würde sie es über die nächsten fünf Jahre sehr schwer haben, diese Aufgabe zu erfüllen. Wenn dies nicht gelingt, denken plötzlich nicht nur die Superreichen, sondern eine ganz andere Breite der Gesellschaft über Alternativen nach. Und dann gehen wir wieder zurück zum Flugzeug: Ähnlich wie damals bei der Ausgabe der Telekom-Aktien, als Scharen von neuen Anlegern in den Markt strömten, wird es auch dieses Mal auf die Erfahrung dieser Menschen ankommen. Hätte man den Börsengang damals fünf Jahre früher gemacht und alle Leute hätten eine positive Erfahrung in Form von Kursgewinnen gemacht, hätten wir eine ganz andere Kultur in Deutschland. Deswegen wird auch dieses Mal die Erfahrung sehr entscheidend sein. Und wenn es Kryptowährungen gelingt, im Vergleich zu den traditionellen Fiat-Währungen eine gewisse Stabilität über einen Zeitraum zu generieren, dann könnte es dieses Mal genau andersrum laufen.

Klar, das kann man jetzt alles verbieten. Man kann auch Alkoholbrennen verbieten. Technisch ist es nur so, dass die Leute trotzdem machen können, egal ob es verboten ist oder nicht. Wenn irgendeiner glaubt, dass das noch mal weggeht, dann würde ich sagen: der ist doch komisch gewickelt.

Nehmen wir mal an, die Inflation verharrt langfristig auf einem hohen Niveau und eine immer breitere Masse investiert in Bitcoin. Wir haben alle ein Smartphone. Ich habe Kryptos auf meiner Wallet, Sie haben auch eine Wallet und wir machen jetzt miteinander Business und wir müssen niemanden mehr fragen. Wird der Erfolg der Kryptowährungen zu ihrem Verhängnis, schließlich könnte er auch zu einer Gefahr für die Notenbanken werden, wenn wir jetzt wirklich alle anfangen, uns unsere eigene Bank zu sein?

Frank Schwab: Das wird sicherlich nicht in den nächsten 5 oder 10 Jahren passieren. Die Zukunft ist hybrid. Und was dann die lange Zukunft bringt, weiß ich auch nicht. Dass sich Kryptowährungen in bestimmten Bereichen mittel- bis langfristig durchsetzen werden, davon bin ich fest davon überzeugt. Genauso wie sich das Internet durchgesetzt hat. Und das schaltet auch keiner mehr aus, weil der Nutzen so hoch ist. Warum muss da jetzt der Staat Angst davor haben? Am Ende geht es darum, ob wir Steuern zahlen oder nicht. Wie wir das machen, ist doch egal.

Können Sie uns an dieser Stelle ein paar praktische Anwendungsfälle nennen, bei denen Kryptos dem jetzigen System überlegen sind? Womit können wir in der Zukunft rechnen?

Frank Schwab: Eines meiner Lieblingsbeispiele sind soziale Medien, die Geschäftsmodelle von Facebook und Instagram. Letztendlich ist es ja so, dass wir da all unseren Content einstellen und Facebook über die Schaltung von Werbung damit Geld verdient und zwar überproportional. Das ist schon eine Leistung, dass Facebook eine Plattform zur Verfügung stellt, diese sollte auch bezahlt werden. Aber der Punkt ist: Facebook ist mehr oder weniger Facebook. Die Leute, die Millionen von Followern haben, sind die einzigen, die hier einen Nutzen haben. Und selbst die haben natürlich ein Problem, wenn Facebook deren Konto sperrt. Dann funktioniert deren Geschäftsmodell auch nicht mehr. Das könnte man eben auch Blockchain-basiert und dezentral organisieren. Bei Open Source Modellen, die dezentral auf vielen Rechnern gebaut sind, bezahlt der Leser den Content-Erzeuger mit einer Kryptowährung und die Plattform kriegt eben auch einen kleinen Anteil – ein faires Modell also.

Ein anderes Beispiel sind Machine-to-Machine Payments, also dass ein Elektroauto samt eigener Wallet für das Aufladen und Parken bezahlt. Genau dafür ist das heutige Bankensystem nicht gebaut worden, Kryptowährungen dagegen schon.

Henry Ford und Thomas Edison haben vor langer Zeit gesagt, die einzig gerechte Währung – wenn man eine schaffen möchte – müsse auf Energie basieren. Im Endeffekt ist der Bitcoin „backed by energy“. Der Store of Value entsteht schließlich dadurch, dass man viel Energie braucht, um mittels spezieller Rechner kryptografische Aufgaben zu lösen. Wie stehen Sie zum Bitcoin und dem oftmals kritisierten Energieverbrauch? Kann das Mining entgegen der weitläufigen Meinung in Zukunft sogar einen positiven Beitrag leisten?

Frank Schwab: Dass Bitcoin viel Energie verbraucht, das ist offensichtlich. Aber was für eine Energie verbraucht er? Im Moment ist es so, dass die Miner und die, die die Transaktion durch Erzeugung neuer Coins entsprechend bestätigen, sich natürlich den günstigsten Strom suchen. Und das ist teilweise Kernenerige, das ist Braunkohle, wenn sie sonst keiner verbrennt und man sie ganz billig abbauen kann. Aber es ist aber eben auch zunehmend Wasserkraft, Erdwärme, Windkraft und Solarenergie. Wenn ich Energie sehr, sehr günstig erzeugen kann, dann ist das für die Bitcoin-Miner die höchste Motivation, diese zu nutzen. Und es ist eben sehr wahrscheinlich, dass man in einigen Jahren weitestgehend grüne Energie erzeugen und nutzen wird, weil das ganz einfach das am billigsten ist.

Irgendwie ist diese Diskussion daher etwas komisch. Dass wir uns vom fossilen Zeitalter verabschieden müssen, hat inzwischen hoffentlich jeder verstanden und von daher sehe ich das Problem nicht. Ich sage nicht, dass der Bitcoin die Lösung ist. Die Lösung ist, dass wir zukünftig nur noch regenerative Energien nutzen. Am liebsten Wasser, Wind und Solarkraft. Solange das nicht geht, ist vielleicht Atomenergie doch nicht das Schlimmste. Und ob die Kryptowährung dann dazu beitragen, dass sich dieser Prozess beschleunigt? Vielleicht. Aber jetzt die Dinge schlecht zu reden, weil das Mining eine bestimmte Energie benutzt, das finde ich irgendwie schwierig.

Vielen Dank für das Interview, Herr Schwab!

Quellen

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