Herr Schwab, bevor wir in das Thema einsteigen, erzählen Sie uns etwas über Ihren bisherigen Werdegang und vor allem wie und warum Sie in die Welt der Kryptowährungen eingestiegen sind?
Frank Schwab: Ich habe vor 32 Jahren eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht und anschließend Wirtschaftsinformatik studiert, aber bin dem Bankwesen jetzt seit 32 Jahren treu geblieben und war unter anderem 21 Jahre bei der Deutschen Bank und habe dort im Jahr 2001 beispielsweise die Yahoo Deutsche Bank 24 Kreditkarte implementiert. Das war im Prinzip auch schon eine digitale Währung, mit der man bei den ersten Onlineshops bezahlen konnte. Im Jahr 2010 habe ich mich selbstständig gemacht und war als Berater von Banken unterwegs, wenn es um Transformation und Veränderung geht. Im selben Jahr bin ich zur Fidor Bank gekommen und dort auch das erste Mal mit Kryptowährungen und Blockchain in Berührung gekommen.
Wie würden Sie jemanden Bitcoin kurz und einfach erklären? Warum sind die Blockchain und der Bitcoin wirklich eine Revolution?
Frank Schwab: Das Geldsystem und des Zahlungsverkehrssystem, so wie wir es heute kennen und nutzen, stammt noch aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Und die Zahlungsverkehrsprozesse wurden eben nie für diese digitale Welt, so wie wir sie heute erleben, gebaut. Und das ist bei Bitcoin ganz anders: Der Bitcoin wurde nur für diese Welt gebaut und das ist schon mal ein wesentlicher Unterschied im Handling. Das andere sind die Transaktionsgebühren. Die sind nämlich im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich, je nachdem ob man mit seiner Kreditkarte bezahlt, per Überweisung usw. Ein weiterer Punkt ist, dass der Bitcoin letztendlich privates Geld ist oder privater digitaler Vermögenswert. Hinter dem Bitcoin steht nämlich weder ein Staat noch eine Bank noch eine Zentralbank, sondern nur diese Open-Source-Software und alle Beteiligten, die eben dieses Bitcoin-Netzwerk zur Verfügung stellen und die daran glauben, dass Bitcoin eben ein digitaler Vermögenswert für die digitale Welt ist.
Die Regulatoren tun sich jedenfalls schwer mit der Einordnung. Ist Bitcoin ein Asset, eine Währung? Wie würden Sie Bitcoin tatsächlich einstufen?
Frank Schwab: Es gibt erst mal das Traditionelle, also ganz am Ende ist Geld das, was zwei Parteien, die einen Wert austauschen wollen, als Geld akzeptieren. Und wenn es zwei Leute gibt, die sagen okay, Bitcoin ist für mich gut, dann ist das für die zwei Leute ein Tauschmittel. Traditionell gibt es drei Kriterien, mit denen man Geld definieren kann: Taugt es als Recheneinheit? Das geht mit dem Bitcoin, aber nicht besonders einfach. So kostet ein Auto z.B. 1 oder 2 Bitcoins, bei einem Brötchen ist es eine Null mit mehreren Nachkommastellen, aber etwas unbequem im Alltag. Das andere ist der Dienst als Zahlungsverkehr. Bitcoin ist total einfach von A nach B zu transferieren, wenn man eine entsprechende App hat – für die Digital Natives ist das kein Problem.
Und dann gerät man auch über den Store of Value, also die Wertaufbewahrungsfunktion. Bitcoin ist zugegebenermaßen wahnsinnig volatil, aber es ist ja auch nicht so, dass Gold keine Schwankungen hätte und es ist schon irgendwie vergleichbar mit Gold. Insgesamt würde ich also sagen: Alle drei Anforderungen an Geld erfüllt der Bitcoin und erfüllen sehr viele Kryptowährungen. Es kommt aber eine weitere Fähigkeit hinzu, die das Geld traditionell eben nicht hat, Bitcoin oder andere Kryptowährungen dagegen schon: Viele Kryptowährungen haben die Eigenschaft, dass sie auch programmierbar sind. Als Beispiel könnte man z.B. abhängig von dem veröffentlichten Gewinn bestimmte Zahlungen auslösen oder man könnte z.B. an eine Währung für Leute unter 18 denken, mit der sie alles außer Alkohol kaufen können usw. Genau das macht Kryptowährungen letztendlich zu potenziellen Währungen. Und das war ja die Frage: Ist es Geld, was macht es zum potenziellen Geld? Wir müssen aber auch irgendwie in Betracht ziehen, wie jung diese Konzeption und diese Gedanken sind. In der breiten Öffentlichkeit spricht man da erst seit fünf oder sechs Jahren davon, wenn überhaupt.
Sie beschreiben in Ihrem Buch eine Analogie zum Automobil. Hier war die Skepsis am Anfang so groß, dass Menschen mit Fahnen neben den fahrenden Autos mitlaufen mussten.
Frank Schwab: Das ist eben so, wenn es um Innovation geht. Da weiß man am Anfang eben nicht genau, was man da so hat und wohin das führt. Am Ende ist es für die breite Masse aber nicht relevant, wie das technisch ist, sondern die Frage: Welchen Nutzen stiftet diese Art von Geld? Aber in dem Moment, wo es für eine bestimmte Gruppe Nutzen stiftet, besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass es eben auch genutzt wird.
Wir haben vorhin festgestellt, dass Geld Vertrauen ist. Warum soll ich der Blockchain vertrauen und nicht mehr einer zentralen Instanz wie einer Notenbank, Geschäftsbank oder dem Staat?
Frank Schwab: Ich versuche es mal anders zu erklären. Warum glauben wir, dass das Flugzeug landet? Warum steigen wir in ein Flugzeug ein? Der Normalsterbliche versteht nicht, warum diese Tonnen an Stahl in der Luft fliegen, für die Mehrheit ist auch nicht nachvollziehbar, wie so ein Flugzeug tatsächlich funktioniert. Ich kann mir das so ein bisschen vorstellen, aber ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Warum steige ich dennoch ein? Weil ich genug andere habe aussteigen sehen. Und als ich dann das dritte Mal selbst geflogen bin, hat sich die Flugangst auch verflüchtigt, einfach durch das wiederholte positive Erlebnis. Und dann muss ich einfach den Leuten vertrauen, die so ein Flugzeug fliegen. Der Vergleich der Blockchain mit einem digitalen Grundbuch oder einer digitalen Kasse ist ein sehr guter Vergleich, weil jeder Kasseneintrag verzeichnet wird. Ich kann zum Beispiel – und das unterscheidet eben die Blockchain von allem anderen – keine Buchung rückgängig machen. Wenn ich also eine Transaktion gemacht habe, dann ist die für alle Ewigkeit festgeschrieben. Und das Besondere ist, dass jeder, der ein gewisses technisches Verständnis hat, das auch nachvollziehen kann. Und das ist schon einmal ein großer Unterschied zu vielen anderen Dingen. Ich weiß nicht, wie viele Menschen es auf der Erde gibt, die genau wissen, wie ein Flugzeug funktioniert und die eines bauen und kontrollieren können. Ob das, was da in der Blockchain passiert rechtens ist, könnten viel mehr Menschen überprüfen. Und das ist eben der große Unterschied. Es ist eben auch Open Source, d.h. jeder kann den Code einsehen, jeder kann an dem Code mitwirken, und etwas beitragen. Wenn diese Änderung von der Mehrheit der Beteiligten als gut befunden wird, dann geht diese sogar in die Weiterentwicklung des Codes ein.